“Es ist ein historischer Tag, an dem wir zurückbringen, was uns nie gehört hat”, sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth am Rande ihres Besuchs in der nigerianischen Hauptstadt Abuja. Sie begleitet gemeinsam mit einer Delegation aus Deutschland persönlich die Rückgabe der wertvollen Benin-Bronzen aus fünf deutschen Museen an Nigeria. Im Interview mit der DW führte Roth aus: “Diese Rückgabe steht für die Anerkennung von Unrecht von einer kolonialen Vergangenheit, die sich Raubgut zu eigen gemacht hat.” Roth hofft, dass sich mit der Rückgabe offene Wunden schließen, “denn wir geben auch die kulturelle Identität, die wir gestohlen haben, ein Stück weit zurück”. 

Claudia Roth auf dem Rollfeld des Flughafens von Abuja

Claudia Roth bei ihrer Ankuft in Abuja

Roth und Außenministerin Annalena Baerbock werden am Dienstag (20.12.) in Abuja zwanzig der kostbaren Kunstschätze an das westafrikanische Land zurückgeben. Sie sind Teil einer auf zwanzig deutsche Museen verteilten Sammlung von rund 1100 geraubten Artefakten aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, das heute zu Nigeria gehört. Die Objekte aus Bronze, Elfenbein und weiteren kostbaren Materialien gehören zu den wichtigsten Kunstwerken des afrikanischen Kontinents. Die meisten von ihnen wurden von britischen Kolonialisten um das Jahr 1897 geraubt. 

Die Kunst der Vorväter mit eigenen Augen sehen

Die beiden Spitzenpolitikerinnen werden von Direktorinnen und Direktoren mehrerer Museen begleitet. Aus ihren Häusern in Berlin, Hamburg, Köln, Dresden/Leipzig und Stuttgart stammen die restituierten Objekte. Die beteiligten Museen und ihre Träger hatten zuvor bereits die Eigentumsrechte sämtlicher Benin-Bronzen übertragen. Es gibt aber auch Abkommen für Leihgaben, damit einige der Kunstschätze weiter in Deutschland ausgestellt werden dürfen.

Gemeinsam mit der Delegation besichtigte Claudia Roth auch die Zunftgasse nigerianischer Bildhauerinnen und Bildhauern, die Kunstwerke aus Bronze- und Messing gießen. Einer von ihnen ist Ewaen Aigbe, ein Bronzegießer in dritter Generation. Aigbe findet es “großartig”, dass die Bronzen wieder zurück in Nigeria sind, weil er sie nun endlich im Detail studieren könne. Bislang arbeite er ausschließlich mit historischen Bildern alter Kataloge, aber bald könne er die Originale betrachten und mit eigenen Augen sehen, “was unsere Vorväter produziert haben”. Dafür habe er gebetet, sagt Aigbe.

Versprechen werden nun eingelöst

Godwin Obaseki, der Gouverneur der Region, äußerte seine große Erleichterung im DW-Interview: “Der heutige Tag sagt uns, dass Restitution Realität ist. Die Versprechen, die gemacht worden sind, werden nun eingelöst. Der heutige Tag ist sehr bedeutsam, denn er sagt mir, dass die Deutschen tatsächlich tun, was sie angekündigt haben.”

Eine junge Passantin freut sich ebenfalls, dass die Bronzen nach Nigeria zurückgebracht werden. Sie bedankt sich “bei all jenen, die hart dafür gearbeitet haben”, dass die Bronzen zurückkehren, sagte sie der DW. Sie sei sich sicher, dass in den Straßen gefeiert werde, sobald die Kunstschätze wieder an ihrem Herkunftsort seien.

Annalena Baerbock steht zwischen einem Mann mit Helm und einer Frau, beide haben Mikrofone in der Hand.

Schritte in eine gemeinsame Zukunft: Annalena Baerbock in der “Skills Academy” der nigerianischen Bauindustrie

Schritt in gemeinsame Zukunft

Eigens für die Aufbewahrung der Bronzen soll in Nigeria ein moderner Museumsbau entstehen. Laut Claudia Roth sei die Rückgabe auch “Voraussetzung dafür, dass wir im Hier und Heute über moderne Kunst, über Museumskooperationen reden und gemeinsame Pläne entwickeln, um zu helfen, dass ein moderner Campus aufgebaut wird, archäologische Arbeiten zu fördern – kurz: um eine gemeinsame Zukunft zu schaffen.”

Deutschland werde das Museum durch finanzielle Hilfe, Mitarbeit und gemeinsame archäologische Grabungen unterstützen. Roth ergänzte: “Ich glaube, wir tun gut daran, dazu beizutragen, dass die Bronzen hier ihre Heimat wiederfinden.” Dies sei der Beginn einer neuen Beziehung “zwischen Deutschland und Nigeria und zwischen Europa und Afrika”, so Roth.

Die Interviews führte Rosalia Romaniec.