Vor gut 300 Jahren – am 1. August 1714 – stirbt die englische Königin Anne. Daraufhin wird der deutsche Kurfürst Georg Ludwig von Hannover in Abwesenheit zum König von Großbritannien proklamiert. Er ist der einzig mögliche Thronfolger und damit der erste Deutsche, der einen englischen Thron besteigt.

Keine Manieren

Seine britischen Untertanen sind zunächst not amused. Der deutsche König betritt erst zwei Monate nach seiner Proklamation englischen Boden und wird am 20. Oktober 1714 zum König George I. gekrönt. Er ist geschieden und turtelt öffentlich mit gleich zwei Mätressen herum. George spricht kaum Englisch – und er hat keine Manieren. So wenig, dass es eine Protokollanweisung gegeben haben soll, man möge doch bitte bei Banketten die Dienerschaft nicht mit Bratenstücken bewerfen.

Gemälde: Ein Mann in prachtvoller Kleidung und mit langhaariger Perücke sitzt auf einem Stuhl mit rotem Samt, neben ihm auf einem Tisch die Krone und der Reichsapfel.

König George I.

Die Briten merken aber auch, dass George I. im Laufe seiner Amtszeit viel für sein Königreich erreicht. So schlägt er einen der Jakobitenaufstände in Schottland nieder, etabliert das bis heute gültige Zweiparteiensystem, baut eine gut funktionierende Kriegsflotte auf und erweitert das britische Empire.

George II. und George III.

Sein Sohn George II. hat den Briten ihre Nationalhymne “God Save The King” – oder später “God Save The Queen” hinterlassen. Dessen Enkelsohn George III. ist der erste in der Reihe der deutschstämmigen Könige, der in England geboren wurde und Englisch auch als Muttersprache spricht. Er heiratet die deutsche Prinzessin Charlotte von Mecklenburg-Strelitz. Mit ihr zeugt er 15 Kinder.

George III. leidet an einer Stoffwechselstörung, die bei ihm zu schweren psychischen Störungen führt und ihn zunehmend regierungsunfähig macht. Seine “Geisteskrankheit” bringt ihm den Beinamen “Der Verrückte” ein.

Karikatur, ein Mann hat einen Truthahn am Zügel, hinter ihm eine Armee aus Krügen mit beinen. Auf einer Brücke stehen französische Soldaten, die von oben auf ein paar zerbrochen Krüge ihr Geschäft verrichten.

Oft ein Ziel der Karikaturisten: König George III. leitet eine Armee aus Tonkrügen – die feindlichen Franzosen auf der Brücke reagieren entsprechend

George IV. – Tiefpunkt für das Ansehen der Königsfamilie

Sein ältester Sohn, der dandyhafte Georg August Friedrich, übernimmt schon zu dessen Lebzeiten die Regierungsgeschäfte und wird 1820 als George IV. zum nächsten König mit überwiegend deutschem Stammbaum.

Sein ausschweifendes Leben macht ihn bei seinen Untertanen nicht besonders beliebt. Er wird auch “Der Fette” genannt. Nach seinem Ableben trauert ihm kein Brite nach – denn George IV. hat mit seiner Verschwendungssucht und Exzentrik den Ruf des Königshauses schwer beschädigt. Er hinterlässt kein besonderes politisches Vermächtnis – wohl aber ein kulturelles: Das Buckingham House wird zum Palast erweitert und im Seebad Brighton entsteht ein Gebäude, das an Exotik und Opulenz bis heute in Europa einzigartig ist: der Royal Pavilion.

Dächer des Royal Pavilion in Brighton, eine Ansammlung von Zwiebeltürmen.

Bescheidene Sommerresidenz Georges IV.: Der Royal Pavilion in Brighton

Königin Victoria und Prinz Albert

1837 wird Georges IV. überwiegend deutschstämmige Nichte Victoria gekrönt. Victoria heiratet ihren Cousin, den deutschen Prinzen Albert von Sachsen-Coburg und Gotha. Von den Briten wird er erst einmal belächelt – was will unsere Königin mit einem deutschen Provinz-Fürsten? Sie werden bald ihre Meinung ändern. Albert setzt sich für die Untertanen ein und soll den deutschen Brauch des Weihnachtsbaum-Aufstellens in England etabliert haben. Er holt die erste Weltausstellung 1851 nach London und reformiert Verwaltung und Bauwesen im Königreich. Mit Albert gewinnt das britische Königshaus wieder an Ansehen. Im Zentrum Londons steht heute eine prächtige Statue des deutschen Prinzgemahls, die Albert Bridge in London wurde nach ihm benannt, so wie die berühmte Konzertlocation Royal Albert Hall.

Die “Großmutter Europas”

Währenddessen übernimmt Königin Victoria neben ihrer Rolle als Mutter von neun Kindern eher repräsentative Funktionen. Ihr außenpolitischer Einfluss besteht vor allem in ihren verwandtschaftlichen Beziehungen zu allen wichtigen Herrschaftshäusern Europas.

Porträt von Königin Victoria, alte Fotografie

Königin Victoria

Ihre Kinder verheiratet sie geschickt mit anderen europäischen Fürstenhöfen. Und so ist es kein Wunder, dass in vielen europäischen Königshäusern Nachfahren von Victoria auf dem Thron sitzen: Königin Margrethe von Dänemark, die Könige Harald von Norwegen und Carl Gustav von Schweden, das ehemalige spanische Königspaar Juan Carlos und Sophia – bis hin zu Elizabeth II.. Victoria bekommt den Beinamen “Großmutter Europas” und ist mit 64 Thronjahren die dienstälteste Monarchin Großbritanniens. Sie wird 120 Jahre später von ihrer Ururenkelin Elizabeth II. übertroffen.

Von Sachsen-Coburg bis Windsor

1901 stirbt sie. Ihr ältester Sohn Eduard VII. folgt ihr auf den Thron und ist der erste englische König aus dem deutschen Fürstengeschlecht Sachsen-Coburg und Gotha. Um diesen Namen fürs britische Gehör geschmeidiger zu machen, wird er in “Saxe-Coburg and Gotha” umbenannt. 1910 wird sein Sohn George V. König. Verheiratet ist er mit der deutschstämmigen Maria von Teck – “Queen Mary”.

Queen Mary und George V. mit Begleitern in einer Kutsche.

Queen Mary und George V. zu Besuch in Nordirland im Mai 1921

In seine Regierungszeit fällt der Erste Weltkrieg. England erklärt dem deutschen Kaiser Wilhelm II. – Georges V. Cousin – den Krieg. In England kippt die Stimmung gegenüber allem Deutschen – schließlich wird das Deutsche Reich als Hauptagressor betrachtet. George V. beschließt 1917, den deutschen Namen der Königsfamilie in Windsor umzuändern. Dabei ist es bis heute geblieben. George verzichtet zudem auf alle deutschen Titel, sein Cousin Ludwig von Battenberg tut es ihm gleich: Fortan heißt seine Familie Mountbatten – aus dieser Familie stammt Prinz Philip, der Ehegatte von Queen Elizabeth.

Die Royals und die Nazis

Georges Sohn Eduard VIII. wird 1936 König. Er dankt aus Liebe ab und ehelicht die geschiedene US-Amerikanerin Wallis Simpson. Sein Bruder Albert übernimmt und besteigt als George VI. den britischen Thron. Zu jener Zeit haben Nazis und Adolf Hitler Deutschland längst fest im Griff und auch im Ausland schaut man mit Skepsis und Interesse auf das Dritte Reich. Eduard und Alberts Mutter Queen Mary beharrt darauf, dass ihre Söhne ihre deutschen Wurzeln nicht vergessen – außerdem gibt es jede Menge Verwandte in Hitlerdeutschland. Eduard zeigt seine Sympathie für die deutschen Nazis offen, so existiert unter anderem ein Foto, auf dem er und seine Gattin mit einem herzerweichenden Lächeln dem “Führer” die Hände schütteln.

Herzog von Windsor und Ehefrau besuchen Hitler 1937, die Frau schüttelt lächelnd Hitlers Hand, der Mann steht lächelnd daneben.

Zunächst war der britische Adel Hitlerdeutschland sehr zugetan. Der Zweite Weltkrieg beendete das freundschaftliche Verhältnis

Erst vor wenigen Jahren ist ein Videoschnipsel aufgetaucht, in dem Eduard und seine Schwägerin mit zwei kleinen Mädchen den Hitlergruß üben. Die kleinen Mädchen sind Margaret und Elizabeth, die zukünftige englische Königin, der Kameramann ist Elizabeths Vater, George VI. Gerne sehen die Briten bis heute die teils herzlichen Beziehungen des britischen Adels mit den deutschen Nazis nicht – und soweit es möglich ist, werden Belege solcher Verbindungen bis heute unter Verschluss gehalten. 

Und wie deutsch ist nun König Charles III.?

Queen Elizabeths Mutter war Britin, und so war die englische Königin nur noch zu einem Teil deutschstämmig – obwohl sie ihr Leben lang äußerst deutsche Tugenden zeigte: Disziplin und Pflichtbewusstsein. Ihr Gatte Philip hatte wiederum überwiegend deutsche Vorfahren und sprach auch fließend Deutsch. 1947 wurde er britischer Staatsbürger, legte kurz vor der Hochzeit mit Elizabeth seinen deutschen Adelstitel “von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg” ab und nannte sich nur noch “Mountbatten”. Der älteste Sohn aus dieser Verbindung, der jetzige König Charles III., hat damit grob geschätzt zur Hälfte deutsche Vorfahren in seiner Ahnentafel.

Charles III. winkt am Tag seiner Proklamation zum neuen britischen König.

König Charles III. hat viele deutsche Vorfahren, ist aber durch und durch Brite.

Mit seiner ersten Frau, der Britin Diana Spencer, hat er die beiden Söhne William und Harry gezeugt. Prinz Williams Frau Kate hat gar keine deutschen Ahnen; Meghan, die Frau von Harry, ist die Tochter eines Amerikaners mit irischen Wurzeln und soll sogar deutsche Vorfahren haben. 

Ob jemals wieder eine deutschstämmige Person den englischen Thron besteigen wird, ist äußerst unwahrscheinlich. Tatsächlich gibt es eine direkte deutsche Nachfahrin englischer Monarchen: Ihr Name ist Karin Vogel. Sie steht an 4973. Stelle am Ende der britischen Erbfolgeliste. In ihrer Ahnentafel findet man George I., den ersten britischen König, der aus Deutschland kam.