Die britische Modedesignerin sei am Donnerstagmorgen friedlich zuhause eingeschlafen, meldete die Nachrichtenagentur PA unter Berufung auf ein Statement der Familie. Damit hat eine Ikone der Modewelt für immer die Augen geschlossen.

Quant, Jahrgang 1930, wuchs im London der Nachkriegszeit auf. Zu einer Zeit, als “die meisten Menschen in ihre Gärten und Schrebergärten zurückgekehrt waren in der Hoffnung, dass das Leben wieder so wird, wie es vor den Feindseligkeiten war”, sagte sie einmal der Presse. So überraschte es kaum, dass die junge Designerin, die helle Farben und innovative Stoffe verwandte, schon mit ihrer ersten Schau große Aufmerksamkeit erregte. Schließlich war die Stadt noch immer voller Herren mit Melone und Regenschirm. “Es war diese Welt, in die ich meine Ideen über Mode einbrachte.”

Neu waren sie allemal. Nachdem sie Anfang der 1960er-Jahre ihre Boutique “Bazaar” an der King’s Road eröffnet hatte, machte Quant sich durch ihr innovatives Bild der Weiblichkeit schnell einen Namen: Jung, farbenfroh und vor allem modern sollte Frau auftreten. Und damit traf sie genau den Nerv ihrer meist gleichaltrigen Kundinnen. 

Kurze Bobfrisur und kniehohe Stiefel prägten Quants Mode-Ästhetik, die Seidenstrümpfe gegen Pumphose und steife BHs gegen flotte Baby-Dolls austauschte. Das war brandaktuell in einer Zeit der kulturellen Rebellion, die England in den 1960ern durchlebte.

Kurz und noch kürzer 

Die Trendsetterin nutzte den Zeitgeist der “Swinging Sixties” und trug so – zumindest stilistisch – zur Frauenbewegung bei: Sie schuf ein starkes Vorbild für die arbeitende Frau. Mary Quant kreierte sowohl den Minirock als auch die maßgeschneiderte Hose. Sie entwarf damit eine Uniform, die das, was Frauen trugen, neu zu definieren half – einen lauten und selbstbewussten Stil, der verkündete: “Ich trage, was ich will, danke vielmals!”

Mary Quant rechts mit Models im Minirock (schwarz-weiß Foto)

Modenshow mit Quant (rechts im Bild)

“Ich habe leichte, jugendliche, einfache Kleidung gemacht, in der man sich bewegen konnte, in der man laufen und springen konnte. Und wir haben sie in der Länge hergestellt, die die Kundin wollte”, sagte Quant. Schon als junges Mädchen habe sie die Röcke ihrer Großmutter immer höher gesäumt. Aber auf dem Basar waren es ihre Kundinnen, die den Trend vorantrieben. Am Ende hatte Quant ihren Beinamen weg: Mutter des Mini-Rocks. “Ich trug sie sehr kurz”, erinnerte sie sich, “und die Kundinnen sagten: ‘Kürzer, kürzer!'”

Kaum hatte sie sich als Designerin einen Namen gemacht, bediente sich Quant neuer Textilien und Stoffe und ließ in großen Stückzahlen produzieren. Zum einen revolutionierte sie so das Straßenbild, zum anderen machte sie ihre Entwürfe sehr vielen Frauen zugänglich. “Snobismus ist aus der Mode gekommen”, ließ sich Quant einmal zitieren, “in unseren Geschäften treffen Sie Herzoginnen, die mit Schreibkräften um die gleichen Kleider anstehen. Ihr Credo zeitlebens: “Der Sinn von Mode ist es, sie für jedermann zugänglich zu machen.”

Mehrere Frauen in farbenfroher Kleidung

Bunt und schrill – so waren die Swinging Sixties

Die Erfinderin des Minirocks wandte sich Ende der 1960er-Jahre dann dem Accessoire zu. Sie entwarf nun Clogs und kniehohe Stiefel aus PVC, die sie mit glänzenden Regenjacken kombinierte. Ende des Jahrzehnts gab sie ihre Arbeit mit Kleidungsstücken dann auf und überließ ihren Namen einer Kosmetik-Linie. Die gibt es bis heute. 

Zu sehen im V&A

Wie populär Quant in England  noch in den letzten Jahren war, zeigte 2019 eine Ausstellung im Victoria & Albert Museum in London. Vor dem Start hatten die Ausstellungsmacher die Londonerinnen aufgerufen, ihre Schränke nach Kleidungsstücken von Quant zu durchforsten; einzelne sollten dann in der Schau gezeigt werden. Die Aktion war erfolgreich: Mehr als 800 Kleidungsstücke und Accessoires wurden im Museum abgeliefert.

Doch Mary Quants Stücke sind nicht nur museumsreif. Nicht ohne Grund hat Queen Elizabeth II. ihr 2014 für ihre modischen Errungenschaften den Titel “Dame” verliehen. Über 60 Jahre nach ihrem Karrierestart ist ihr Einfluss auf die Modewelt ungebrochen. Das wird sich wohl auch nach ihrem Tod nicht ändern.