Entdeckt wird Claudia Cardinale bei einem Schönheitswettbewerb: 1957 erhält sie bei einer Misswahl der Unitalia-Filmgesellschaft die Auszeichnung als “schönste Italienerin von Tunis”. Zum Preis gehört eine Reise zum Filmfestival in Venedig, die entscheidende Weichenstellung für ihr Leben. Die temperamentvolle junge Frau, die am 15. April 1938 in Tunis zur Welt kam, fällt auf. Ihre Mutter ist Französin, ihr Vater Sizilianer, sie hat die italienische Staatsbürgerschaft.

1958 spielt sie ihre erste Filmrolle – in “Goha” an der Seite von Omar Sharif. Die nötige Schauspielausbildung holt sie an der italienischen Filmhochschule in Rom nach. Bald wird klar, dass sie mehr zu bieten hat als nur ihre strahlende Schönheit – und ihre scheinbar unbezähmbare Wildheit. Ihr Blick in die Kameras ist legendär. 

Filmszene aus Der Leopard, bei der sich ein Mann mit Augenband und elegantem Anzug mit einer Frau in einem spitzenbesetzten Kleid unterhält. Beide blicken in dieselbe Richtung.

Sie dreht mit berühmten Filmpartnern: hier mit Alain Delon in “Der Leopard” (1962/Regie Luchino Visconti)

Der berühmte Regisseur Luchino Visconti besetzt sie 1960 in einer Nebenrolle für seinen Film “Rocco und seine Brüder” und 1962 für das Historienepos “Der Leopard”. Ihre Filmpartner sind Jean-Paul Belmondo, Marcello Mastroianni, Alain Delon und Burt Lancaster. Alle lässt sie abblitzen, wie sie später in einem Interview erzählt.

Von der Schönheitskönigin zur Film-Diva

“CC”, wie sie in der Filmbranche bald bewundernd genannt wird, ist die italienische Antwort auf Frankreichs Kurvenstar Brigitte Bardot, die “BB”. Beide machen später als Film-Diven internationale Karriere. Aber die Cardinale ist nie nackt auf der Leinwand zu sehen. “Weil ich es immer erotischer fand, wenn man der Fantasie noch ein wenig Raum lässt. Und gewisse Dinge nur andeutet, anstatt alles zu zeigen”, erzählt sie 2014 in einem Interview dem Magazin “Stern”.

Ihre Rolle in dem Italowestern “Spiel mir das Lied vom Tod” (1969), der später als Western-Klassiker in die Filmgeschichte eingeht, macht Claudia Cardinale als Schauspielerin berühmt. Gedreht wird in den Cinecittà-Studios in Rom und in Spanien, einige Außenaufnahmen entstehen im “Monument Valley” in Utah. Regie führt Sergio Leone, in den Hauptrollen: Henry Fonda und Charles Bronson. Aber der Streifen floppt in den USA und wird erst in Europa zum Kultfilm.

In den 1970er Jahren kann Claudia Cardinale nicht mehr an ihre Anfangserfolge anknüpfen. Sie nimmt mehr Fernsehrollen an, spielt auch in Unterhaltungsfilmen, die ihr komödiantisches Talent zum Vorschein bringen. 1971 bekommt sie noch einmal eine Hauptrolle: Mit Brigitte Bardot, ihrer schärfsten Konkurrentin als Sex-Symbol der Kinoleinwand, gibt sie ein Duo in der Italowestern-Komödie “Petroleum-Miezen” – beide unbeschreiblich weiblich und kämpferisch.

Preisgekrönt: Claudia Cardinales Lebenswerk

Zehn Jahre später holt sie der deutsche Regisseur Werner Herzog vor die Kamera. Er will sie in seinem historischen Kinofilm “Fitzcarraldo” (1981) unbedingt als weibliche Hauptfigur besetzen. Claudia Cardinale kann die Wutausbrüche ihres exzentrischen Filmpartners Klaus Kinski nur schwer ertragen, aber sie genießt die Dreharbeiten und Herzogs Regie in vollen Zügen – trotz aller Widrigkeiten: “Das war eines meiner schönsten Abenteuer, mitten im Dschungel, überall Insekten und nichts zu essen”, wird sie später rückblickend sagen.

Claudia Cardinale neben Klaus Kinski in einer Filmszene aus Fitzcarraldo.

Claudia Cardinale mit Klaus Kinski in dem Streifen “Fitzcarraldo” (Filmszene von 1982)

Der Goldene Löwe, der ihr 1993 auf den Filmfestspielen in Venedig für ihr Lebenswerk verliehen wird, krönt ihre Laufbahn als Film-Diva. Über 100 Filme hat die bis ins hohe Alter temperamentvolle Schauspielerin gedreht. Auch auf der Berlinale wird Cardinale 2002 mit dem “Ehrenbär” fürs Lebenswerk geehrt.

2017 erregt “CC” erneut Aufmerksamkeit auf einem Internationalen Filmfestival: Ein Foto aus ihren Anfangsjahren als Schauspielerin ziert das Eröffnungsplakat in Cannes, wo sie häufig als Ehrengast geladen war. Die Ausrichter wollten sie damit als “unabhängige Frau” und “engagierte Bürgerin” ehren.

Von der Schauspielerin zur Aktivistin

An diesem 15. April ist Claudia Cardinale 85 Jahre alt – ruhiger wird es um sie jedoch nicht. Inzwischen tritt der Filmstar vor allen Dingen als Aktivistin in Erscheinung. Sie setzt sich für die Rechte von Frauen ein, engagierte sich gegen die Todesstrafe und im Kampf gegen AIDS.

Heranwachsenden riet sie kürzlich in einem Interview: “Es sind unsichere Zeiten für uns alle. Junge Menschen, insbesondere Mädchen, gebe ich nur einen Rat: Schützt eure Würde. Immer, jederzeit, unter allen Umständen.”

Dies ist die aktualisierte Fassung eines Artikels vom 15.4.2018.