“Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage!” – für zahlreiche Christinnen und Christen auf der ganzen Welt ist der Eröffnungschor aus dem Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach das musikalische Symbol des Weihnachtsfestes schlechthin. Auch im Berliner Dom wird dieses Jahr das Weihnachtsoratorium erklingen, die Kantaten I und III von den insgesamt sechs Kantaten des 1734-1735 entstandenen Meisterwerkes. In diesem besonderen Jahr 2022, das durch den russischen Angriff auf die Ukraine eine Zeitwende in der friedlichen Geschichte Europas markierte, sind Bachs Kantaten flankiert von ukrainischen Weihnachtsliedern.

Die DW überträgt das Konzert am 26.12. um 18 Uhr live über den YouTube-Kanal DW Classical Music, der vor knapp drei Jahren an den Start ging und Musikfans auf der ganzen Welt erreicht – auch in der Ukraine.

Der Berliner Dom, fotografiert aus der Froschperspektive. Hinter der Kuppel ein bewölkter Himmel.

Majestätisch: der Berliner Dom

Beteiligt an dem Konzert ist die Elite der Musikszene der deutschen Hauptstadt: Knaben sowie erwachsene Sängerinnen und Sänger des Staats- und Domchores Berlin, der Sing-Akademie zu Berlin sowie Musikerinnen und Musiker der “Lautten Compagney” Berlin – ein Ensemble, das sich auf historische Aufführungen spezialisiert hat.

Bach trifft ukrainische Volkslieder

Dirigieren wird Kai-Uwe Jirka, Leiter des Staats- und Domchors an der Universität der Künste Berlin und künstlerischer Leiter der Sing-Akademie zu Berlin. “Wir machen am zweiten Weihnachtstag immer ein großes Familienkonzert”, erklärt Jirka der DW. “Und da dieses Jahr natürlich auch unsere Chorarbeiten in besonderer Weise durch den Angriff auf die Ukraine geprägt waren, war für uns eigentlich klar, dass wir nicht einfach ein normales Weihnachtskonzert singen wollen, als ob nichts passiert wäre, sondern dass wir das Thema in diesem Konzert aufgreifen. Wir wollen versuchen, mit der Musik jene Menschen zu erreichen, denen es jetzt besonders viel bedeutet.”

Blick ins Innere des Berliner Doms. Auf den Bänken sitzen zahlreiche Menschen, der Altarbereich ist mit einem warmen Licht beleuchtet.

Der Berliner Dom bietet eine besondere Kulisse für das Konzert

Olga Prykhodko: “Wir hoffen, dass dieses Konzert den Menschen in der Ukraine Kraft gibt”

Gemeint sind vor allem die Menschen in der Ukraine sowie ukrainische Geflüchtete, die sich zurzeit in Deutschland aufhalten. Einige von ihnen sind auch Mitwirkende in den Chören der Singakademie zu Berlin.

Auch die ukrainische Chorleiterin Olga Prykhodko hat in Berlin vorerst eine neue Heimat gefunden. Von ihr stammt die Auswahl der ukrainischen Weihnachtslieder für das Konzert. In Kiew hat Prykhodko den Chor “Alter Ratio” geleitet, ein renommiertes Ensemble für zeitgenössische Musik. “Dieses Konzert und die ukrainischen Weihnachtlieder sind unser Geschenk für das deutsche Publikum, aber auch ein  Gruß für die Menschen in der Ukraine”, sagt Prykhodko im DW-Gespräch. “Gerade in diesen düsteren Zeiten wollten wir mit der Musik ein Zeichen der Solidarität setzen. Wir hoffen, dass dieses Konzert den Menschen in der Ukraine Kraft gibt, weiter für unsere Freiheit zu kämpfen.”

Von der Sowjetunion zurück nach Berlin

Miteinander verbunden sind die Singakademie zu Berlin und die Ukraine nicht nur durch das bevorstehende Weihnachtskonzert, sondern auch durch die Geschichte des Archivs der Akademie. Das umfangreiche Archiv wurde 1945 als “Beutekunst” in die Sowjetunion abtransportiert. Ein Teil des Archivs landete in den Beständen russischer Bibliotheken und Museen und wurde zum Eigentum des russischen Staates erklärt. Ein wesentlicher Teil jedoch kam nach Kiew und wurde 2001 vom jungen ukrainischen Staat an Deutschland zurückgegeben. Auf diese Weise kehrten mehr als eine Million Manuskriptseiten nach Berlin zurück. Aus dieser wertvollen Sammlung, die die Geschichte des 1791 gegründeten Chores dokumentiert, stammt auch ein Weihnachtslied des deutschen Komponisten und Bach-Zeitgenossen Johann Theile, das im Konzert aufgeführt wird.