Tag zwei beim  G7-Gipfel auf Schloss Elmau: Zur ersten Arbeitssitzung an diesem Montag ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zugeschaltet worden. Er bat die Staats- und Regierungschefs laut einem Diplomaten um umfassende Hilfe im Krieg gegen Russland. Konkret habe Selenskyj die Vertreter der sieben führenden Industrienationen um Luftabwehrsysteme gebeten. Zudem sollten sie für weitere Sanktionen gegen Moskau sorgen, der Ukraine beim Export von Getreide helfen und dem Land finanzielle Hilfe zum Wiederaufbau zur Verfügung stellen.

Später hieß in Konferenzkreisen, dass die USA der Ukraine weitere moderne Abwehrsysteme zur Verfügung stellen würden. Die Ankündigung zum Kauf von “modernen Boden-Luft-Raketenabwehrsystemen” mittlerer bis langer Reichweite sei noch “in dieser Woche” zusammen mit anderen Waffenzusagen wahrscheinlich.

Militärische Produktions- und Lieferketten im Visier

Wegen des Angriffskriegs wollen die USA und die anderen G7-Staaten nach Angaben aus Washington auch weitere Strafmaßnahmen gegen Russland verhängen. Die Maßnahmen richteten sich unter anderem gegen militärische Produktions- und Lieferketten, teilte Vertreter des Weißen Hauses am Rande des Gipfeltreffens der führenden Industrieländer in Süddeutschland mit. Die USA würden in Abstimmung mit den G7-Staaten Sanktionen gegen Hunderte weitere Personen und Institutionen erlassen sowie Strafzölle auf zahlreiche russische Produkte erheben.

Preisdeckel für Öl oder Importzölle? 

Zudem sollen die russischen Staatseinnahmen durch einen Preisdeckel für Öl aus Russland begrenzt werden. Die G7-Staats- und Regierungschefs würden ihre zuständigen Minister beauftragen, “intensiv” mit Partnerländern und Privatfirmen zu sprechen, um einen Preisdeckel umzusetzen.

Infografik wichtigste Abnehmer von russischen Öl DE

Die Bundesregierung hatte zuvor darauf verwiesen, dass ein Preisdeckel nur effektiv sein kann, wenn viele Einkaufsländer weltweit – wie Indien oder China – sich beteiligten. Beide Staaten haben seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ihre Ölimporte aus Russland deutlich erhöht. Die USA haben bereits die Öleinkäufe aus Russland eingestellt, die EU will dies bis spätestens Jahresende tun.

Das Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) plädierte inzwischen für Importzölle auf russisches Öl und Gas. Sie seien dem US-Vorschlag einer Preisobergrenze vorzuziehen, erklärte Handelsforscher Alexander Sandkamp. “Ein Zoll mindert die Einnahmen Russlands und erhöht die Einnahmen der G7, womit die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger durch die hohen Energiepreise abgefedert werden können.” Die von den USA vorgeschlagene Preisobergrenze unterhalb des Weltmarktpreises würde dagegen die Nachfrage nach Energie weiter anheizen, weil sie  dadurch billiger und die reale Energieknappheit verschleiert würde.

Klimakrise, Energie, Hungersnöte

Am zweiten Tag des Treffens stehen auch die Themen Klimakrise, Energie und Gesundheit auf der Agenda. Dazu werden die Staats- und Regierungschefs von Indonesien, Südafrika, Indien, Senegal und Argentinien erwartet. Mit ihnen soll unter anderem über Partnerschaften für eine nachhaltige Energiepolitik gesprochen werden.

Kanzler Scholz als Gastgeber des Gipfels strebt einen internationalen Klimaklub mit den G7-Staaten als Kern an. In diesem soll die internationale Klimapolitik stärker abgestimmt werden, um zu verhindern, dass Wettbewerbsnachteile für Länder entstehen, die sich an strengere Vorgaben halten.

Ukraine I Weizen I Ernte

Ein Foto von Juli 2020, also aus besseren Tagen: Weizenernte in der Region Saporischschja im Südosten der Ukraine

Drängendes Thema des erweiterten G7-Kreises dürften aber vor allem die wegen des Ukraine-Kriegs drohenden Hungersnöte sein. Laut dem Welternährungsprogramm stehen 50 Millionen Menschen weltweit kurz vor einer Hungersnot. Als katastrophal schätzt die UN-Organisation die Lage in Äthiopien, Nigeria, dem Südsudan, dem Jemen, Afghanistan und Somalia ein. 750.000 Menschen in besonders betroffenen Ländern droht demnach der Hungertod.

Video ansehen 02:33

G7-Gipfel: 600 Milliarden Dollar für globale Infrastruktur-Initiative

Die Ukraine und Russland sind die größten Weizen-Exporteure weltweit. Normalerweise decken sie knapp ein Drittel des globalen Bedarfs – weil Russland die ukrainischen Häfen blockiert, kann viel Getreide aber nicht exportiert werden. Zu den Beratungen über die weltweite Nahrungssicherheit soll auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres zugeschaltet werden.

sti/AR (afp, dpa, rtr, epd)