Ein strahlender, überirdischer Klang, einzigartig und unnachahmlich: Der legändere italienische Geigenbauer Antonio Stradivari wusste im 18. Jahrhundert, wie man mit Geigentönen die Musikwelt verzaubert. Ob die deutsche Stargeigerin Anne-Sophie Mutter oder der niederländische “König der Salonmusik”, André Rieu, die Stradivari ist ihr ständiger Begleiter.

Etwa 1000 Geigen sollen von Antonio Stradivari erhalten sein. Anne-Sophie Mutter besitzt gleich zwei von ihnen, die “Emiliani” von 1703 und die “Lord Dunn-Raven” von 1710. Die Instrumente tragen meist die Namen ihrer Vorbesitzer oder berühmter Virtuosen, die auf ihnen gespielt haben. Preislich liegen sie zwischen 3 und 16 Millionen Euro, die Grenze nach oben ist offen.

Anne-Sophie Mutter steht auf der Bühne vor dem Orchester und reißt ihren Geigenbogen in die Höhe.

Die Stradivari ist ihr ständiger Begleiter: Anne-Sophie Mutter spielt mit dem Pittsburgh Symphonie Orchestra beim Rheingau Musik Festival 2022

Als sich André Rieu wegen der mangelnden Auftritte während der Corona-Pandemie finanzielle Sorgen um den Fortbestand seines “Johann-Strauß-Orchesters” machte, erwägte er 2021, seine wertvolle Stradivari zu verkaufen. Doch so weit kam es nicht. An den Festtagen lässt er den Klang seiner Geige wieder ihre einnehmende Wirkung entfalten, unter anderem in seinem Programm “Christmas with André”.

Guarneri del Gesù: die teuersten Geigen der Welt

Als teuerste gehandelte Geige der Welt galt lange Zeit mit über 15 Millionen Euro die “Lady Blunt”-Stradivari. Für mehr als 16 und 18 Millionen Euro wurden dann nach 2010 Geigen von Guiseppe Guarneri del Gesù versteigert. Mittlerweile kursieren weit höhere Summen, die Käuferinnen und Käufer bleiben oft anonym. Von den Instrumenten des Geigenbauers Giuseppe Guarneri, der von 1698 bis 1744 lebte, gibt es weltweit nur noch rund 200 Exemplare, das treibt die Preise in die Höhe.

Der deutsch-amerikanische Geiger Augustin Hadelich spielt seit 2020 auf einer Guarneri als Leihgabe. “Die Geige hat mich klanglich fasziniert und ich wusste sofort, auf der will ich spielen”, sagt Hadelich im Gespräch mit der Deutschen Welle. “Der Klang ist runder und wärmer. Gerade auf den tiefen Saiten klingt die Geige breiter, voller und praller, und das haben nicht alle Geigen.”

Teure Instrumente auf Zeit geliehen

Viele bekannte Virtuosinnen und Virtuosen, aber auch talentierte Newcomerinnen und Newcomer bekommen durch Leihgaben die Chance, wertvolle Instrumente zu nutzen. So spielt die russische Cellistin Anastasia Kobekina auf einem Cello von Antonio Stradivari von 1698, geliehen von einer Schweizer Stiftung.

Eine junge Frau mit lockigem Haar im Portrait, mit rechter erhobener Hand und links dem Hals ihres Cellos im Bild.

Anastasia Kobekina gehört zur Generation der Newcomerinnen

Die junge spanische Geigerin María Dueñas, die 2022 einen Exklusivvertrag bei der Deutschen Grammophon unterzeichnete, wird für ihr virtuoses Spiel und ihre künstlerische Reife gelobt. Das rief auch potenzielle Leihgeber auf den Plan. Die Deutsche Stiftung Musikleben stellte ihr eine Nicolò-Gagliano-Violine zur Verfügung. Außerdem spielt die 20-Jährige auf einer Guarneri del Gesù von 1736, eine Leihgabe der Nippon Music Foundation, die zum japanischen Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie gehört und die größte Stradivari-Sammlung besitzt.

Antonio Stradivari sitzt mit seiner Geige in der Hand nachdenklich an einem Tisch.

Seine Instrumente sind weltweit gefragt: Geigenbauer Antonio Stradivari (1648-1737)

Wie kommt man an ein wertvolles Instrument?

Der 23-jährige britische Cellist Sheku Kanneh-Mason spielt seit über einem Jahr auf einem Cello von Matteo Goffriller aus dem Jahr 1700. Der venezianische Geigenbauer war für die herausragende Qualität seiner Celli berühmt. Der runde, volle Klang hat es Kanneh-Mason angetan: “Mein ganzes Spiel hat sich verändert und ist mit diesem Instrument gewachsen”, sagt er im Gespräch mit der DW.

Ein Star-Cellist und sein Millionen-Instrument

Sein Cello ist die Leihgabe einer Gruppe aus sechs Sponsoren. Den Deal hat der Geigenexperte Florian Leonhard eingefädelt. Leonard handelt mit den begehrten Instrumenten vergangener Jahrhunderte. “Es ist allgemein bekannt, dass Instrumente eine gute Investition sind”, sagt Leonhard in einer DW-Dokumentation. “Die Anzahl der alten Instrumente ist endlich und wir haben immer mehr Interessenten auf der ganzen Welt.”

Streichinstrumente als Wertanlage

Einen Zwischenhändler braucht der bekannte britische Geiger Daniel Hope nicht unbedingt. “Eines Tages erhielt ich aus heiterem Himmel einen Anruf und eine Dame sagte, sie wolle eine Investition tätigen”, erzählt Hope der DW. Er sollte sich ein Instrument aussuchen, die Dame wollte es als Wertanlage kaufen, er sollte darauf spielen.

“Für Künstler ist es kaum mehr möglich, sich diese Instrumente zu leisten, weil die Preisexplosion wahnsinnig ist”, sagt Hope. Er entschied sich für die “Ex-Lipiński”-Geige von Giuseppe Guarneri del Gesù von 1742, benannt nach dem im 19. Jahrhundert bekannten Virtuosen Karol Lipiński.

Daniel Hope steht vor dem Orchester und streicht mit dem Bogen über die Saiten seiner Geige.

Daniel Hope ist auch Weihnachten mit seiner Guarneri unterwegs und spielt in seinem Format “Christmas@home 2022” gemeinsam mit Sting

Einmal eine Mozart-Geige spielen

Manche Instrumente sind so rar, dass man sich schon freut, wenn man nur einmal auf ihnen spielen darf – auch, wenn es keine Stradivari- oder Guarneri-Geige ist. Der Geiger Renaud Capuçon spielt normalerweise auf einer Guarneri del Gesù, die einst im Besitz des berühmten Geigers Isaac Stern war. 2021 bekam er zur 100. Jahrfeier des Mozartfests Würzburg die Gelegenheit, auf einer Geige zu spielen, die einst Wolfgang Amadeus Mozart gehörte. Sie stammt aus der Werkstatt von Pietro Antonio Dalla Costa, 1764 gebaut. Das Instrument ist im Besitz der Stiftung Mozarteum Salzburg.

Für Capuçon war es nicht nur eine große Freude, sondern auch eine Herausforderung: “Die Instrumente wurden von den Leuten aus Salzburg gebracht und die behielten sie ständig bei sich”, erzählte Capuçon der DW nach dem Konzert. “Wenn wir proben wollten, mussten wir fragen. Ich habe also nicht allzu viel auf der Geige spielen können, aber es war eine wundervolle Erfahrung, das Instrument war sehr klangvoll.”

Interesse an den Stars von morgen

Streichinstrumente – auch eine Mozart-Geige – müssen gespielt werden, um ihren Klang zu erhalten. Am Ende bestimmt nicht nur der Geigenbauer oder der Vorbesitzer den Wert, sondern auch die namhaften Virtuosinnen und Virtuosen, die das Instrument über die Jahrhunderte zum Klingen brachten. “Ich versuche Menschen anzusprechen, die auch an den emotionalen Teil der Investition denken. Es ist absolut notwendig, dass junge und aufstrebende zukünftige Stars das richtige Werkzeug haben”, sagt Geigenexperte Florian Leonhard.

Porträt von David Garrett, der auf seiner Geige spielt und dabei lächelt.

David Garrett freut sich über seine neue Guarneri del Gesù

So eine Chance bekam der Stargeiger David Garrett, der mit Crossover-Programmen ein Millionen-Publikum erreicht. Schon im Alter von 13 Jahren wurde ihm seinerzeit für mehrere Jahre eine echte Stradivari als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Zuletzt spielte er auf einer Guarneri del Gesù, geliehen von der italienischen Stadt Cremona. Die Geige hatte den 42-Jährigen so begeistert, dass er im September 2022 für 3,5 Millionen Euro eine Guarneri aus dem Jahr 1736 in Paris ersteigerte. “Der Zuschlag war für mich wie ein Sechser im Lotto”, sagte Garrett damals der Presse. Hören kann man ihn mit seiner neuen Guarneri bei seiner “Iconic”-Tournee 2023.