Ein durchsichtiges Wandgemälde des Konzeptkünstlers Marcel Duchamp, minimalistische Kunst von Sol LeWitt und Donald Judd und Werke des Verpackungskünstlers Christo: Das sind nur einige der über 130 Arbeiten von 34 weltberühmten Künstlern aus dem Westen, die derzeit Iranerinnen und Iraner in Scharen ins Teheran Museum für Zeitgenössische Kunst locken. Rund 20.000 kamen, seitdem die Ausstellung im Juni ihre Pforten öffnete – doppelt so viele wie bei früheren Schauen.
“Die Resonanz ist großartig”, freut sich Museumsdirektor Ebadreza Eslami. Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP führte er das große Interesse darauf zurück, dass 38 Meisterwerke der “Minimalismus und Konzeptkunst”-Ausstellung zum ersten Mal überhaupt ausgestellt werden. Es sei eben einfach spannend, lange verborgene moderne Meisterwerke zu sehen, ergänzte Museumsprecher Hasan Noferesti.
Gucken, diskutieren, fotografieren – die Ausstellung inspiriert
In der Islamischen Republik ist es keine Selbstverständlichkeit, dass westliche Werke einer breiten Öffentlichkeit gezeigt werden. Der schiitische Präsident Ebrahim Raisi ist ein strenggläubiger Kleriker und wettert regelmäßig gegen den Einfluss des Westens. Einheimische Künstler, die von der “revolutionären Kultur des Irans” abweichen, müssen mit harten Strafen rechnen. Und westliche zeitgenössische Kunst fand sich lange im Giftschrank wieder – so auch die Sammlung, die jetzt zu sehen ist.
Größte Sammlung der Moderne außerhalb Europas und den USA
Zusammengetragen wurde sie in den 1970er-Jahren von Farah Diba Pahlavi, der Frau des damaligen Schahs Reza Pahlavi. Die millionenschwere Sammlung gilt als legendär – und als die größte der Moderne außerhalb von Europa und den USA.
2017 erzählte die ehemalige Kaiserin der DW, sie habe während der Biennale, die das iranische Kulturministerium in den früher 1960er-Jahren organisiert hatte, verschiedene iranische Maler und Bildhauer entdeckt. So sei die Idee entstanden, das Teheraner “Museum of Contemporary Art” zu gründen. Auch westliche Kunstwerke sollten hier Einzug halten: “Ich sagte mir, warum sollten wir hier nicht auch ausländische Kunst haben. Denn die ganze Welt hat auch unsere Kunst in ihren Museen.”
Minimalistische Kunst im Tehran Museum of Contemporary Art
Bei der Eröffnung des Museums 1977 hingen so neben Gemälden von einheimischen Künstlern auch Werke von Pablo Picasso, Mark Rothko, Claude Monet, Paul Jackson Pollock, Rene Magritte und anderen großen Namen an den Wänden.
“Verderbtheit des Westens” angeprangert
Doch nur zwei Jahre später fegte die Islamische Revolution den Schah vom Thron. Das neue Staatsoberhaupt Ruhollah Chomeini beklagte die moralische und sexuelle Verderbtheit des Westens, die seiner Meinung nach die islamische Welt infiziert habe. Auch die westliche Kunstsammlung wurde in den Katakomben des Museums weggesperrt, da sie als “unislamisch” und “verdorben” galt.
Andy Warhols Pop Art-Porträt von Marilyn Monroe durfte bleiben; das Bild, das ihn mit Farah Diba zeigt, wurde zerstört
Anfangs sei sie sehr besorgt gewesen, “dass sie den Gemälden während der Revolution etwas antun oder sie zerstören”, so Farah Diba. “Aber glücklicherweise ist die Sammlung noch relativ vollständig – bis auf ein Porträt von mir von Andy Warhol, das im Foyer des Museums stand. Das wurde komplett zerstört und auch einige Skulpturen des Bildhauers Bahman Mohasses.”
Zurück aus den Katakomben an die Museumswände
Lange ruhte die Sammlung im Museumsdepot, nur vereinzelt waren Werke im Westen zu sehen. Erst ab 2005, während des politischen Tauwetters im Iran, tauchten sie nach und nach wieder auf: Gemälde Andy Warhols, Vincent van Goghs, Jack Pollocks und anderer Künstler aus dem Westen fanden ihren Weg in die Ausstellungsräume, Aktbilder hingegen wurden weiter im Keller versteckt.
Konzeptkunst von Dan Flavin: ein ungewohnter Anblick für diese junge Iranerin
Vor allem die junge Generation im Iran zeigt großes Interesse an internationaler Kunst. Viele befriedigen ihr Interesse in den sozialen Medien. Dass jetzt lange unter Verschluss gehaltene Werke gezeigt werden, treibt manche sogar mehrmals ins Museum. Babak Bahari war schon vier Mal da. “Eine Ausstellung mit einem solchen Thema und solchen Werken auf die Beine zu stellen, ist ein kühner Schritt, der viel Mut erfordert”, sagte er der britischen Tageszeitung “The Guardian”. “Selbst im Westen stehen diese Werke im Mittelpunkt von Diskussionen und Dialogen.”