Der Ausgang der Bundestagswahl gilt als offen und es scheint so, dass es zwischen Sozialdemokraten und der Union aus CDU/CSU eng werden könnte. Deutlich dahinter lagen in letzten Umfragen die Grünen mit ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Die FDP strebt erneut ein zweistelliges Ergebnis an. Die rechtspopulistische AfD steht wohl vor ihrem Wiedereinzug in den Bundestag. Die Linke dürfte den Umfragen zufolge an Stimmen einbüßen, aber wieder im Parlament vertreten sein.
Rund 60,4 Millionen Bürgerinnen und Bürger sind aufgerufen, bis 18.00 Uhr MESZ Erst- und Zweitstimme abzugeben und damit über die Zusammensetzung des neuen Bundestags zu entscheiden.
Steinmeier ruft zur Wahl auf
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief vor Öffnung der Wahllokale um 8.00 Uhr zur Stimmabgabe auf. “Jede Stimme zählt – Ihre Stimme zählt. Daher bitte ich Sie: Gehen Sie heute zur Wahl!”, schrieb Steinmeier in einem Gastbeitrag für die “Bild am Sonntag”. Demokratie lebe vom Einmischen und Mitmachen. “Wer mitmacht, wird gehört. Wer nicht wählt, lässt andere für sich entscheiden”, so Steinmeier.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gibt seinen Stimmzettel in einem Wahllokal in Berlin ab
Insgesamt stehen 47 Parteien und Gruppierungen zur Wahl – so viele wie nie seit der deutschen Wiedervereinigung. In den 20. Deutschen Bundestag einziehen werden allerdings höchstwahrscheinlich nur die bereits genannten sechs Parteien. Kanzlerin Angela Merkel tritt nach knapp 16 Jahren Amtszeit nicht mehr an.
DW-Reporter Jared Reed hat sich in einem Wahllokal im Zentrum Berlins umgehört. Er twitterte, auf die Frage, was die Menschen heute bei der Wahl am meisten beschäftige, seit mit Abstand die häufigste Antwort gewesen: der Klimaschutz.
CSU-Parteichef Markus Söder rief nach der Abgabe seiner Stimme ebenfalls nochmals zur Wahl auf. Der Vorsitzende der Christlich-Sozialen Union twitterte:
Laschet faltet seinen Stimmzettel falsch
Bei der Stimmabgabe in seiner Heimatstadt Aachen hat Kanzlerkandidat Laschet seinen Wahlzettel falsch zusammengefaltet. Als er den Zettel in die Wahlurne warf, konnten Umstehende sehen, was er angekreuzt hatte. Wegen des Wahlgeheimnisses ist es eigentlich nicht erlaubt, seinen Stimmzettel offen einzuwerfen.

Armin Laschet und seine Frau Susanne bei der Stimmabgabe
Stand jetzt werden mehrere Koalitionen möglich sein
Es wird erwartet, dass erstmals seit 1957 nur ein Bündnis aus drei Parteien die notwendige Mehrheit für eine Koalitionsbildung erreicht. Hier zeichnen sich realistisch diese Modelle ab: Union – Grüne – FDP oder die Option SPD – Grüne – FDP. Bei diesem Bündnis wäre der größte inhaltliche Spagat zu bewältigen. Eine Koalition SPD – Grüne – Linke scheint politisch wie zahlenmäßig nach letzten Umfragen trotz Schwankungsbreiten eher unwahrscheinlich. Ein Bündnis mit der rechtspopulistischen AfD schließen die anderen Parteien aus.
Schon seit Wochen deutet sich an, dass – auch wegen der Corona-Pandemie – eine Rekordzahl an Menschen bereits per Briefwahl abgestimmt hat. Etwa 40 Prozent der abgegebenen Stimmen könnten auf Briefwähler entfallen.
Werben um Wählerstimmen
Am Tag vor der Wahl warben alle Parteien noch einmal um unentschlossene Wähler. Unions-Kanzlerkandidat Laschet trat zusammen mit Bundeskanzlerin Merkel in seiner Heimatstadt Aachen auf. Der CDU-Vorsitzende warnte nochmals vor einer Regierungsbeteiligung der Linken. Gleichzeitig warnten beide vor einer Regierungsbildung jenseits der Union. “Es ist nicht egal, wer Deutschland regiert”, sagte Merkel.

Gemeinsamer Wahlkampfauftritt in Aachen – die Kanzlerin und der Unionskandidat
SPD-Kanzlerkandidat Scholz stellte in seinem Wahlkreis in Potsdam die Sozialpolitik in den Mittelpunkt. Er versprach stabile Renten, einen Mindestlohn von 12 Euro sowie Respekt vor den Lebensleistungen der Menschen. Zugleich bekräftigte er seinen Wunsch nach einer Koalition mit den Grünen: “Das ist meine Lieblingskoalition.”

Bitte ankreuzen: Ein Stimmzettel für die Wahl
Die Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock sagte in Potsdam, eine echte Erneuerung gebe es nur mit starken Grünen. An den Gedankenspielen über mögliche Koalitionen beteilige sie sich vor der Bundestagswahl nicht.
FDP-Parteichef Lindner bezeichnete es in Düsseldorf als Schlüsselaufgabe einer künftigen Regierung, das Land von bürokratischen Fesseln zu befreien. Die Liberalen seien nur bereit für “eine Regierung der Mitte”, in der es keine Steuererhöhungen und kein Aufweichen der Schuldenbremse geben werde.
se/qu/ml (dpa, afp, rtr, dw, twitter)