Deutschland könnte bei der Produktion von Batteriezellen  für Elektroautos der wichtigste Standort in Europa werden. Analysen des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe sagen für Ende des Jahrzehnts mögliche Fertigungskapazitäten von bis zu 1,5 TWh in ganz Europa voraus. Mit knapp 0,4 TWh könnten Produktionsstätten in Deutschland den größten Anteil liefern.

“Wir betrachten die Planungen von Fabriken für die Fertigung von Batteriezellen auf der ganzen Welt”, sagt Lukas Weymann vom Fraunhofer ISI im Gespräch mit der DW. “Seit 2014 beispielsweise im Rahmen der Energiespeichermonitoring-Studien, in denen wir die Länder China, Deutschland, Frankreich, Japan und Südkorea genauer beleuchtet hatten. Mittlerweile erfolgt das Monitoring global.”

Infografik Europa Geplante gesamte Batteriezellproduktionskapazität DE

Deshalb könnten die Karlsruher Forscher auch die entstehende Batteriezellproduktion in Deutschland und Europa stets in den weltweiten Kontext setzen. In Europa entstehe rund ein Viertel der globalen maximalen Produktionskapazität, so Weymann.

Seine Auswertungen zeigen: Gemäß der Ankündigungen der in Europa aktiven Zellhersteller könnten bereits im Laufe des Jahres 2022 Produktionskapazitäten von bis zu 0,124 TWh erreicht werden. Bis 2025 werden sich diese voraussichtlich auf über 0,5 TWh vervierfachen, bis 2030 sogar auf bis zu 1,5 TWh verzehnfachen (s. Grafik). Damit könnten theoretisch rund 25 Millionen Elektroautos ausgerüstet werden.

Für den aktuellen Zeitraum bis 2025 sieht der Forscher einen gewaltigen Aufschwung, in dem die maximalen jährlichen Produktionskapazitäten von Jahr zu Jahr um 50 bis 100 Prozent ansteigen.

Hersteller aus Asien bestimmen bislang das Batteriegeschäft

Die meisten Lithium-Ionen-Batterien liefern gegenwärtig Hersteller aus China, Japan und Südkorea. Seit die Planungen für die Energie- und Verkehrswende und zur Abkehr von fossilen Brennstoffen immer konkreter werden, rückt der rasante Aus- und Aufbau von Produktionsstandorten für Batteriezellen in Europa immer mehr in den Blickpunkt.

Deutschland | Baustart für VW-Batteriezellfabrik in Salzgitter

Bundeskanzler Scholz im Mittelpunkt: Baustart für die VW-Batteriezellfabrik in Salzgitter

Bereits am 7. Juli wurde in Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz im niedersächsischen Salzgitter der Grundstein für die erste sogenannte Gigafactory des Autobauers Volkswagen gelegt. Bis zu 5000 neue Jobs sollen dort entstehen.

Der VW-Konzern pant nach ähnlichem Muster noch fünf weitere Zellwerke in Europa. Das nordschwedische Skellefteå und Valencia in Spanien stehen dafür neben Salzgitter bereits fest. Für die übrigen drei Standorte soll es Bewerbungen unter anderem aus Deutschland und Osteuropa geben. Bis 2030 will der VW-Konzern gemeinsam mit Partnern mehr als 20 Milliarden Euro in das für ihn neue Geschäftsfeld investieren.

VW Batteriezellenfabrik Salzgitter, Computeranimation

VW Batteriezellenfabrik Salzgitter – Computeranimation

Weitere Antreiber einer europäischen Produktion von Batteriezellen in Europa sind das Unternehmen Northvolt aus Schweden und die deutsch-französische Automotive Cells Company (ACC), an der unter anderen die Autokonzerne Mercedes-Benz und Stellantis beteiligt sind.

Northvolt baut bereits zwei Gigafactories in Schweden und will den Bau einer weiteren in Deutschland 2023 beginnen. ACC hat Fertigungsstandorte in Deutschland, Frankreich und Italien angekündigt.

Natürlich sind auch nicht-europäische Platzhirsche im Batteriegeschäft wie CATL aus China und Tesla aus den USA mit geplanten Zellfabriken in Deutschland ganz vorne mit dabei. Samsung SDI und LGES (beide aus Südkorea) gehören mit ihren bestehenden osteuropäischen Zellfabriken in Ungarn und Polen ohnehin zu den großen Playern.

40 Hersteller werden in 15 Ländern aktiv

Insgesamt werden wohl rund 40 Hersteller in mehr als 15 europäischen Ländern Produktionsanlagen aufbauen, wenn die Prognosen des Fraunhofer ISI zutreffen.

Lukas Weymann

Dr. Lukas Weymann vom Fraunhofer ISI

“Wir halten die Ankündigungen, die in unsere Auswertung eingeflossen ist, für hinreichend konkret, um als realistisch eingeordnet werden zu können”, sagt Lukas Weymann in diesem Zusammenhang gegenüber der DW. Jedoch sei es nicht unwahrscheinlich, dass Verzögerungen in dem Aufbau der Kapazitäten aufträten. “Es kommt häufiger vor, dass Pläne auch wieder platzen.”

Als Beispiel nennt er das Unternehmen Farasis, an dem auch Mercedes-Benz beteiligt ist. Die Chinesen hatten erst im Mai Pläne für eine Fabrik im ostdeutschen Bitterfeld-Wolfen überraschend zurückgestellt.

Fachkräftemangel ist die größte Herausforderung

“Andererseits gibt es aber noch einige Absichtserklärungen und es kann auch erwartet werden, dass noch weitere Zellhersteller in den nächsten Jahren Pläne für die Zellherstellung in Europa ankündigen werden”. so Weymann.

Einer größeren Anzahl von Zellfertigungs-Standorten in Europa steht also wohl nicht die mangelnde Bereitschaft der Investoren und Hersteller entgegen. Die große Herausforderung sei eher der Mangel an geschulten Fachkräften, ist sich der Forscher sicher.