Die vorgezogene Parlamentswahl im Irak hat begonnen. Die Wahllokale sollen bis 17.00 Uhr (MESZ) geöffnet bleiben. Beobachter erwarten eine niedrige Wahlbeteiligung. Die Partei des schiitischen Geistlichen Muktada al-Sadr gilt als Favorit, sie hatte bereits bei der Wahl 2018 die meisten Sitze gewonnen.

Insgesamt sind rund 25 Millionen Menschen aufgerufen, die 329 Abgeordneten im Parlament zu bestimmen. Ein Viertel aller Sitze ist für Frauen reserviert. Vorläufige Ergebnisse werden am Montag erwartet.

Ministerpräsident Mustafa al-Kasimi hatte die Abstimmung nach Massenprotesten gegen die Regierung um mehrere Monate vorgezogen. Nach Angaben der irakischen Militärführung sind mehr als 250.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, um Zwischenfälle zu verhindern. Zellen der Terrormiliz “Islamischer Staat” (IS) verüben im Irak immer wieder Anschläge.

Irak in tiefer Krise 

Das rohstoffreiche Land steckt in einer politischen und wirtschaftlichen Krise. Es hängt stark vom Öl ab und hat unter den niedrigen Ölpreisen während der Corona-Pandemie gelitten.

Sicherheitskräfte bewachen einen Kontrollpunkt in Kirkuk, Irak

Die Furcht vor Anschlägen überschattet die Abstimmung

Schon 2019 waren Massenproteste gegen die politische Führung ausgebrochen. Die Kundgebungen richteten sich unter anderem gegen die grassierende Korruption und die schlechte Infrastruktur. Sicherheitskräfte gingen immer wieder mit Gewalt gegen die Demonstranten vor. Dabei wurden nach Angaben von Menschenrechtlern mehr als 500 Personen getötet.

Viele haben resigniert 

Viele Iraker sind von der Politik enttäuscht. Anhänger der Protestbewegung haben zum Boykott der Wahl aufgerufen. Sie wollen nicht abstimmen, weil sie innerhalb des bestehenden politischen Systems keine Änderung der Machtverhältnisse erwarten. “Die herrschende Elite ist so gefestigt, dass sie nicht von der Macht verdrängt werden kann und ihren Einfluss behält”, sagte der irakische Analyst Farhad Alaaldin.

Sicherheitskräfte stehen in einem Wahllokal in Bagdad Schlange

Ein Wahllokal in Bagdad: Sicherheitskräfte durften bereits am Freitag ihre Stimmen abgeben

Dagegen haben führende Politiker und der höchste Geistliche des Landes, der schiitische Großajatollah Ali al-Sistani, ebenso wie die Vereinten Nationen zur Stimmabgabe aufgerufen. Beobachter erwarten dennoch eine niedrige Wahlbeteiligung. Bei der Abstimmung im Mai 2018 war sie auf ein Rekordtief von 44,5 Prozent gefallen.

Der Irak leidet auch unter den Folgen des Krieges gegen den IS. Die Terrormiliz hatte 2014 große Gebiete im Norden und Westen des Landes überrannt. 2017 erklärte die Regierung den Sieg über den IS. Einzelne Zellen sind aber weiter aktiv. Im Januar hatten zwei Attentäter in der Hauptstadt Bagdad mehr als 30 Menschen mit in den Tod gerissen.

sth/jj ( dpa, afp)