“Er lebte ein erfülltes Leben, das bis zu seinem letzten Tag der Musik, der Kultur und der Freude gewidmet war”, so Kühns Ehefrau Melanie und sein Bruder Joachim. Bis fast zuletzt spielte er noch täglich zwei Stunden auf seiner Klarinette.
Heimlicher Unterricht
Rolf Kühns Familiengeschichte zwischen Nazi-Herrschaft, Judenverfolgung, Zweitem Weltkrieg und dem Mauerbau in Berlin ist auch ein Spiegel deutscher Geschichte. Er wurde am 29. September 1929 in Köln geboren, kurz darauf siedelten seine Eltern nach Leipzig um. Vater Kurt war Zirkusartist, Mutter Grete, geborene Moses, führte einen Zigarrenladen. 1938, in der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November, zerstörte ein Nazi-Schlägertrupp das Geschäft. Der Vater wollte sich nicht von seiner jüdischen Frau scheiden lassen und wurde aus der Theaterkammer des Deutschen Reiches ausgeschlossen.
Rolf begann mit acht Jahren, Klavier zu spielen. Mit elf nahm er dann auch Klarinettenunterricht. Da er aber als sogenannter “Halbjude” nicht die Musikschule besuchen durfte, ging er heimlich zu Privatlehrern, dort lernte er auch Saxofon.
Jazz hörte er 1947 erstmals bei Jutta Hipp, später eine bekannte Pianistin, die ihm zu Hause Benny Goodman vorspielte.
Aus der Strandbar nach Amerika
Mit 16 verdingte sich Rolf Kühn als Pianist in einer Opernballettschule, mit 17 nahm ihn das neu gegründete Rundfunk-Tanzorchester Leipzig unter Vertrag. Kurz vor Gründung der DDR 1949 bekam Rolf Kühn ein Jobangebot im Westen: am Timmendorfer Strand in Schleswig-Holstein. Dort spielte er in einer Bar für Hamburger auf, die den Krieg hinter sich lassen und endlich wieder das Leben genießen wollten.
Rolf Kühn hatte ein bewegtes Musikerleben
1954 wurde Kühn bei einem europäischen Jazz-Wettbewerb erstmals als “Bester Klarinettist” ausgezeichnet – zwei Jahre später ging er nach Amerika, zur Wiege der von ihm so geliebten Musik. Kühns Talent sprach sich herum und es dauerte nicht lange, bis ihm der legendäre Bandleader Benny Goodman einen Platz in seinem Orchester anbot.
Enges Verhältnis zum Bruder
Rolfs 14 Jahre jüngerer Bruder Joachim, in der DDR als musikalisches Wunderkind gefeiert, war in Leipzig zurückgeblieben. Erst 1966 sollte Rolf Kühn ihm helfen, in den Westen zu fliehen. Da war auch Joachim Kühn schon dem Jazz verfallen. Danach standen die beiden immer wieder gemeinsam auf der Bühne.
Rolf Kühn spielte nicht nur klassischen Jazz, Rock und Free Jazz, er dirigierte und komponierte auch, zum Beispiel für die beliebten deutschen Krimi-Sendungen von “Tatort” bis “Derrick”. Daneben übernahm er die musikalische Leitung verschiedener Theaterhäuser, darunter auch die im Berliner Theater des Westens.
2011 erhielten Rolf (links) und Joachim Kühn den “Echo Jazz” für ihr Lebenswerk
Die Reihe der Auszeichnungen, die er im Laufe seines Lebens erhielt, ist genau so beeindruckend wie die Vielzahl der Veröffentlichungen, auf denen er einzeln oder gemeinsam mit seinem Bruder zu hören ist.
Eigentlich hatte Rolf Kühn noch viel vor – auch noch mit 92 wollte er demnächst in mehreren Städten auf der Bühne stehen, unter anderem mit seinem Bruder. Dazu wird es nun nicht mehr kommen. Laut Angaben der Familie starb er bereits am 18. August. “Rolf wird immer als der inspirierende, sanfte, innovative und jung gebliebene Künstler und Mensch in Erinnerung bleiben, der er war.” Mit diesen warmen Worten verabschiedete sich die Familie von einem ganz Großen der deutschen Jazzszene.