Groß war der Andrang, als gestern (27.08.2021) eine Biografie über den chinesischen Staatschef an der Universität Duisburg vorgestellt wurde. Es war eine kurzfristig organisierte Ersatzveranstaltung: Denn eigentlich sollte die Buchpräsentation der beiden deutschen Journalisten Stefan Aust und Adrian Geige, die im Juli diesen Jahres die Biografie “Xi Jiping – der mächtigste Mann der Welt” veröffentlicht hatten, in den Konfuzius-Instituten in Hannover und Duisburg als Online-Veranstaltung stattfinden – doch sie wurde kurzfristig abgesagt. “Es gab Einflussnahmen”, sagte Ulrich Radtke, Rektor der Universität Duisburg-Essen, zu Beginn der Veranstaltung. Wie es dazu gekommen sei, werde noch geprüft. “Das ist kein beliebiger Fall für uns, das berührt unsere Wissenschaftsfreiheit.” Vom “langen Arm Pekings” ist seitdem die Rede, von Zensur oder auch Selbstzensur.

In der Biografie gehe es nicht um eine Parteinahme für oder gegen Xi Jinping, sagen die Autoren. “Wir wollen ihn – soweit möglich – darstellen, wie er ist”, heißt es in der Einleitung des Buches, das sich auf Reden des chinesischen Staatsoberhauptes, offizielle Quellen und eigene Vor-Ort-Recherchen stützt. Die Autoren würden kein “China-bashing” betreiben wollen: “Das Urteil über den zurzeit mächtigsten Mann der Welt sollten Sie sich selbst bilden.”

Chinesisch-deutsches Schild mit Aufschrift Leibnis-Konfuzius-Institut, daneben zwei Männer, die klatschen.

Auf dem Prüfstand: Das Leibniz-Konfuzius-Institut wurde Ende 2017 in Hannover eröffnet

Chinesische Behörden scheinen das mit dem Bashing anders zu sehen. “Unsere Kooperations-Uni in Wuhan hat uns freundlich dargelegt, dass sie es nicht gut fänden, wenn wir die Veranstaltung durchführen”, erklärte Markus Taube, einer der drei Direktoren des Duisburger Konfuzius-Instituts, die Absage. Laut Aussagen des Piper-Verlags, bei dem die Biografie erschienen ist, soll sich zudem auch der Generalkonsul Chinas in Düsseldorf eingeschaltet haben. 

Auch wenn die Autoren selbst ihr Buch als ausgewogen beschreiben, scheint sich die chinesische Regierung grundsätzlich an einer Biografie über ihren Staatschef zu stören – bedingt durch den immer stärker um sich greifenden Kult um seine Person. Eine Mitarbeiterin der Konfuzius-Institute soll sich gegenüber einem der Autoren so geäußert haben: “Über Xi Jinping kann man nicht mehr als normalen Menschen reden, er soll jetzt unantastbar sein.”

Angedockt an deutsche Universitäten

Eine derartige direkte Beeinflussung bei der Programmgestaltung der Konfuzius-Institute ist in der Tat ein Novum. Seit 2004 eröffnet die Volksrepublik ihre Bildungseinrichtungen auf der ganzen Welt, in Deutschland sind es derzeit 19. Mit dem offiziellen Ziel, die chinesische Sprache und Kultur zu fördern, werden sie mit Kulturinstituten wie demGoethe-Institut oder dem British Council verglichen.

Mit einem entscheidenden Unterschied: Die Konfuzius-Institute sind direkt an deutsche Universitäten angedockt, die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen und auch in der Direktion vertreten sind. Es war vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis es zu Reibungen zwischen dem demokratischen Verständnis von Forschungsfreiheit und der kulturpolitischen Strategie eines Einparteienstaates kommt.

Karte zeigt 19 Konfuzius-Institute in Deutschland.

Seit 2004 öffneten deutschlandweit Konfuzius-Institute

“Es gibt klare Ansagen von Xi Jinping, dass man in der Außendarstellung Chinas auf allen Kanälen versuchen sollte, China als modernes sozialistisches Land darzustellen. Da gibt es eine lange Litanei an positiven Eigenschaften, die China zugeschrieben werden sollen”, sagt Professor Björn Alpermann im DW-Gespräch. “Und mit diesem Auftrag sind die chinesischen Staatsmedien und eben auch die Konfuzius-Institute betraut.” Daher sei es nicht verwunderlich, dass China sich positiv darstellen möchte, wenn es Geld im Ausland ausgibt, so der Sinologe. Das ist auch der Bundesregierung bekannt.

Auf eine sogenannte Kleine Anfrage der GRÜNEN an die Bundesregierung, inwieweit die Konfuzius-Institute Einfluss nehmen würden, lautete die Antwort: “Das Programm der Konfuzius-Institute wird von der offiziellen außenpolitischen Kulturorganisation Hanban (“Institut für chinesische Sprachausbildung”) gesteuert. Das Hanban ist direkt der Zentralen Propagandaabteilung der KPCh unterstellt (d. h. dem Büro für Auslandspropaganda).”

Partnerschaften aufgekündigt

Nichtsdestotrotz seien die Konfuzius-Institute keine ferngesteuerten Propaganda-Maschinen, sagt Björn Alpermann. Er selbst habe schon kritische Vorträge an den chinesischen Bildungsinstituten gehalten, beispielsweise zur chinesischen Außenpolitik. Die jeweiligen Konfuzius-Institute seien sehr heterogen und gestalten ihr Programm mit den lokalen Partnern eigenständig. Da es sich um reine Sprach- und Kulturzentren handelt, sieht er die Freiheit der Wissenschaft nicht gefährdet – Forschung werde dort nicht betrieben. Seine Universität Würzburg hatte sich dennoch gegen ein Konfuzius-Institut entschieden, als ihr vor einigen Jahren eine Kooperation angeboten wurde. “Wir haben seit mehr als 20 Jahren ein eigenes, sehr gut laufendes Programm mit der Peking Universität”, so Alpermann.

Darstellung von Konfuzius mit langem Schnurrbart und Kopfschmuck.

Namensgeber für chinesische Sprach- und Kulturzentren: Philosoph Konfuzius ( 551 – 479 vor Christus)

Die neuerlichen Aufregungen sind dabei nicht die ersten Zerwürfnisse: So haben bereits die Universitäten Düsseldorf und Hamburg ihre Partnerschaft aufgekündigt – die Konfuzius-Institute bestehen weiter, doch fehlt ihnen das prestigeträchtige Logo der jeweiligen Uni auf der Internetseite. Auch weitere Universitäten stellten ihre Zusammenarbeit bereits vor der Lesungsabsage auf den Prüfstand und lassen sie derweilen ruhen.

Chinas Deutungsmacht in sozialen Medien 

Auch wenn er die de-facto Angliederung der Konfuzius-Institute kritisch sieht, hält Alpermann den akademischen Austausch für unverzichtbar. “Wir können den Dialog mit chinesischen Kräften nicht komplett einstellen, und da würde ich ganz explizit auch die offizielle chinesische Seite einschließen.” Er spricht sich dagegen aus, jetzt nur noch ausschließlich mit Dissidenten und Menschenrechtsaktivisten zusammenzuarbeiten. “Wir müssen uns auch nach wie vor mit Akademikern, die dem Regime nahestehen, austauschen können. Wir müssen ein Verständnis dafür haben, was die chinesische Politik umtreibt.” Kooperationen grundsätzlich unter den Generalverdacht zu stellen, dass sie von der chinesischen Seite diktiert seien, hält er für wenig zielführend. Zudem traue er der “deutschen Öffentlichkeit doch einiges an kritischer Betrachtung” zu.

Eben jener kritische, reflektierte Umgang mit der Außendarstellung Chinas sei derzeit gefordert wie nie zuvor. Die Konfuzius-Institute als Instrument einer möglichen Einflussnahme sieht Björn Alpermann eher als “Bagatelle”. “Das viel interessantere Problem finde ich tatsächlich, wie China versucht, internationale Deutungsmacht zu erreichen, beispielsweise über die sozialen Medien.” In seinem kürzlich erschienen Buch “Xinjiang – China und die Uiguren” hat er drei Jahre lang die YouTube-Kanäle chinesischer Staatsmedien ausgewertet – und deren Darstellung des international stark kritisierten Umgangs mit der uigurischen Minderheit. Der kulturelle Genozid an den Uiguren werde hier unter anderem als ein Kampf gegen Terrorismus gerechtfertigt. “Das wird mit unglaublich viel Aufwand betrieben und man sieht schon, dass diese Argumentation in manchen Weltregionen verfängt.”