Damit hatte wohl niemand gerechnet: Mit zehn Nominierungen galt Dominik Grafs “Fabian oder Der Gang vor die Hunde” als der große Favorit beim diesjährigen Deutschen Filmpreis. Aber von zehn möglichen Preisen gewann die Literaturverfilmung lediglich drei Lolas – immerhin darunter die silberne in der Königskategorie Bester Spielfilm, sowie Trophäen in den Sparten Beste Kamera/ Bildgestaltung (Hanno Lentz) und Bester Schnitt (Claudia Wolscht). Die Politsatire “Curveball – Wir machen die Wahrheit” landete auf Platz drei der besten Spielfilme.

“Ich bin dein Mensch” – ein Film am Puls der Zeit

Großer Abräumer des Abends war “Ich bin dein Mensch” von Maria Schrader. Die Tragikomödie erhielt die goldene Lola als bester Spielfilm des Jahres und gewann zudem in den Sparten Bestes Drehbuch und Beste Regie. Darstellerin Maren Eggert wurde für ihre Leistung in “Ich bin dein Mensch” außerdem als Beste Hauptdarstellerin geehrt. Damit gewann Schraders Film, der auch für den Auslands-Oscar ins Rennen geht, in den wichtigsten Kategorien. 

Mit ihrem Film über die Mensch-Roboter-Beziehung zwischen Alma (Maren Eggert) und Tom (Dan Stevens) stellt Maria Schrader große Gegenwartsfragen: Was ist Glück und was braucht man, um glücklich zu sein? Kann ein Roboter den Menschen nicht nur in funktionaler, sondern auch in emotionaler Weise ersetzen? Ein Thema, das nicht nur die Jury der Deutschen Filmakademie überzeugt zu haben scheint, sondern das die Menschheit in Zukunft noch begleiten wird.

Maren Eggert liegt als Alma neben dem humanoiden Roboter Tom (Dan Stevens) im hohen Gras. Szene aus Ich bin dein Mensch von Maria Schrader.

In “Ich bin dein Mensch” entwickelt Alma (Maren Eggert) Gefühle für den humanoiden Roboter Tom (Dan Stevens)

Darstellerpreise: Masucci gewinnt als Rainer Werner Fassbinder

Als Bester Hauptdarsteller wurde Oliver Masucci für seine Verkörperung des Regisseurs Rainer Werner Fassbinder in “Enfant Terrible” geehrt. Regisseur Oskar Roehler erzählt darin das Leben des legendären deutschen Regisseurs anhand von Beziehungskapiteln – und Masucci brilliert als der exzesssuchende melodramatische Fassbinder.

Die Lolas für die besten Nebendarsteller erhielten Lorna Ishema und Thorsten Merten. Ishema spielt in dem Familiendrama “Ivie Wie Ivie” (Regie Sarah Blaßkiewitz) die Halbschwester von “Schoko” (Haley Louise Jones), die plötzlich auftaucht und vom Tod des gemeinsamen Vaters berichtet. Die beiden Schwestern lernen sich immer besser kennen und dabei stellt Ivie nicht nur zunehmend ihren Spitznamen infrage, sondern auch ihr Selbstbild. Den Preis nahm Lorna Ishema als erste Person of Color entgegen. 

Thorsten Merten spielt in “Curveball – Wir machen die Wahrheit” BND-Mann Schatz. Der Film von Oliver Keidel und Johannes Naber ist dabei ein bitterböses Politdrama über Fake News, persönliche Karriere- und politische Machtspiele – die gar 2003 zur Rechtfertigung des Irakkriegs dienten. 

“Tides”: Science-Fiction Made in Germany

Zwei Darstellerinnen aus Tides laufen in einer kargen Landschaft hintereinander her.

Seltenes Exemplar in Deutschland: Science-Fiction-Filme sind aufwendig und teuer in der Produktion

Der Science-Fiction-Thriller “Tides” (Regie Tim Fehlbaum) räumte ebenfalls gut ab: Vier Lolas lautet die Bilanz – für bestes Szenenbild (Julian R. Wagner), Maskenbild (Sabine Schumann), visuelle Effekte (Denis Behnke) und Filmmusik (Lorenz Dangel). In monumentalen Bildern erzählt der Streifen die Geschichte einer Elite, die sich nach einer Umweltkatastrophe auf der Erde auf den Planeten Keppler gerettet hat. Auf einer Mission soll die Wissenschaftlerin Louise Blake (Nora Arnezeder) feststellen, ob wieder Leben auf der Erde möglich ist. Daraufhin beginnt ein Überlebenskampf. 

Zum besten Kinderfilm wurde “Die Adern der Welt” (Regie Byambasuren Davaa) gekürt, und in der Sparte Bester Dokumentarfilm gewann “Herr Bachmann und seine Klasse” (Regie Maria Speth), ein berührendes Porträt über den Lehrer Dieter Bachmann und dessen besonderes Verhältnis zu seinen Schülerinnen und Schülern.

Maria Speth steht mit Lola in der Hand neben Dieter Bachmann, der ins Mikrophon spricht.

Maria Speth mit ihrem Protagonisten, dem Lehrer Dieter Bachmann

Den Deutschen Filmpreis für die Beste Tongestaltung erhielten Pascal Capitolin und Richard Borowski für “A Symphony of Noise”. Der Dokumentarfilm entführt das Kinopublikum in die außergewöhnlichen Klangwelten des gefeierten britischen Musikers und Klangforschers Matthew Herbert. 

Die Lola für das Beste Kostüm gewann Tanja Hausner für ihre Ausstattung der Literaturverfilmung “Schachnovelle”. Die Komödie “Night Life” bekam den Preis als besucherstärkster Film.

Ehrenpreis für Senta Berger 

Den Ehrenpreis für herausragende Dienste um den Deutschen Film erhielt in diesem Jahr die Schauspielerin und Filmproduzentin Senta Berger. Als eine der bekanntesten und erfolgreichsten Schauspielerinnen Deutschlands wirkte Berger an zahlreichen nationalen und internationalen Produktionen mit, spielte an der Seite von Stars wie Kirk Douglas oder Alain Delon. Akademie-Chef Ulrich Matthes sagte in der Begründung, sie zähle “zu den größten und international erfolgreichsten Schauspielerinnen unseres Landes. (…) Angetrieben von einer enormen Lebenskraft und ausgeprägten Neugier hat sie uns starke, vielschichtige und dabei immer authentische Frauenfiguren geschenkt.”

Nach anderthalb Jahren Pandemie wurde der Deutsche Filmpreis erstmals wieder vor großem Publikum verliehen. Etwa 1200 Menschen waren in Berlin zu Gast. Moderiert wurde die Gala von Daniel Donskoy (“Sankt Maik”, “Freitagnacht Jews”), der die Show mit einer Tanz- und Gesangseinlage begann, einer Art Hymne an die große Leinwand. 

Schauspieler und Präsident der Deutschen Filmakademie Ulrich Matthes hatte zu Beginn der Verleihung mit einer “James Bond”-Anspielung zu mehr Gesprächsbereitschaft und Solidarität in der Gesellschaft aufgerufen: Sie alle seien nach dieser Pandemiezeit “geschüttelt und gerührt”, so Matthes. “Die einen mehr, die anderen weniger. Einige von uns hat diese Pandemie wirklich existenziell bedrohlich getroffen.” Er habe in der Zeit den vorsichtigen Optimismus gehabt, dass sie eine besondere Solidarität entwickeln würden. “Wir kriegen’s nur gemeinsam hin”, sagte Matthes.

Ulrich Matthes und Monika Grütters stehen auf dem Roten Teppich nebeneinander und lächeln in die Kameras.

Ulrich Matthes mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die in ihrer Rede an die Kraft des Kinos erinnerte

Der Deutsche Filmpreis ist mit fast drei Millionen Euro Preisgeldern der höchstdotierte Filmpreis in Deutschland. Über die Preisträgerinnen und Preisträger stimmen die rund 2000 Mitglieder der Deutschen Filmakademie ab.