Im französischen Straßburg stehen Museumsbesucher jetzt häufiger vor verschlossenen Türen: Die neun Museen der Elsass-Metropole machen an zwei Tagen der Woche ganz dicht, Frankreichs Kulturinstitutionen folgen dem Sparappell von Präsident Emanuel Macron. Vor einem “neuen Ausnahmezustand” für die ohnehin pandemiegeschwächten britischen Museen warnt Paula Orell, Direktorin des Contemporary Visual Arts Network (CVAN). Das Londoner Netzwerk führt die genauen Folgen der durch den Ukraine-Überfall Russlands ausgelösten Energiekrise in einer Datenbank auf. 

Auch in Deutschland droht ein Krisenszenarium, das Politiker und Museumsleute nicht kalt lässt. Größte Sorgen bereitet der exorbitante Anstieg der Energiekosten. Bis zum Ddreifachen könnte sich Gas verteuern, Strom immerhin um das Doppelte, rechnete die Stiftung Preußischer Kulturbesitz kürzlich im DW-Interview vor. Ganz zu schweigen von der Inflation, die Material-, Transport- und Arbeitskosten in die Höhe schießen lässt. 

Ein Gemälde, das eine mittelalterlich gekleidete Frau zeigt, wird von zwei Händen in weißen Handschuhen umgeben.

Sind Kulturgüter wie dieses Gemälde in Gefahr, wenn die Luftfeuchte nicht mehr optimal angepasst ist?

Angesichts solcher Zahlen warnt Kulturstaatsministerin Claudia Roth vor einer “kulturellen Rezession”, einem Rückgang kultureller Aktivitäten. “Museen, Theater, Kinos und Konzerthäuser sind kraftspendende Orte der Bildung, der Begegnung, der sozialen Wärme und der Gemeinschaft”, so die Grünen-Politikerin. Deshalb müsse man sie über den Winter offenhalten und als “Anker der Demokratie” unterstützen. Ganz ähnlich das Bekenntnis der Vorsitzenden der Kulturministerkonferenz, Ina Brandes. Die Kultur müsse jedoch auch einen “spürbaren Beitrag zum Energiesparen” leisten, ergänzte sie.

Hilfszusagen von der Politik

Was die Kultur von der Politik zu erwarten hat, zeichnet sich nach den jüngsten Beratungen des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen- und chefs der Länder ab. An zwei Stellen werden Hilfen für den Kulturbereich erwähnt. Zum einen sollen “im Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen vorhandene Restmittel auch in 2023 genutzt werden, um gezielte Hilfen für Kultureinrichtungen zur Verfügung zu stellen”. Zum anderen heißt es, dass Bund und Länder über zusätzliche Maßnahmen für die Kultur beraten würden, sollten über die Energiepreisbremse hinaus weitere Hilfsmaßnahmen erforderlich werden.

Der Deutsche Kulturrat begrüßt die Beschlüsse zwar, schlägt aber erneut Alarm: Museumsexponate seien in Gefahr, wenn es zu Energieausfällen kommt, warnt Kulturrat-Geschäftsführer Olaf Zimmermann. Es gebe nicht genügend klimatisierte Depots, um alle Werke zu schützen. Im Ernstfall werde man sich überlegen müssen, welche Kunst man wirklich schützen will. “Was fehlt, ist eine Priorisierung”, so Zimmermann im Gespräch mit der “Neuen Osnabrücker Zeitung”, eine Art “Triage” für Kulturschätze.

Eine Hand hält zwei 50-Euro.Scheine an einen Gaszähler.

Museen müssen Energie sparen, denn Strom- und Gaspreise explodieren

Als energiesparende “Notfallmaßnahme” rät der Deutsche Museumsbund den Museen derweil zu “erweiterten Klimakorridoren. “Statt einzelner Sollwerte empfehlen wir einen Korridor mit festen Grenzwerten”, sagt Sina Hermann, Projektleiterin für Klimaschutz und Nachhaltigkeit beim Deutschen Museumsbund auf DW-Anfrage. Der optimale Klimabereich hänge jedoch von der jeweiligen Sammlung ab und müsse von den Restauratorinnen und Restauratoren des Museums entschieden werden.

Energiesparpionier Stuttgarter Staatsgalerie

Ob filigranes Pergament, lichtempfindliche Grafik oder wärmesensibles Gemälde – jedes Exponat benötigt ganz eigene Klimabedingungen. Andernfalls nimmt es möglicherweise irreparablen Schaden: Altes Papier könnte sich wellen, Ölgemälde könnten rissig werden, das Holz von Skulpturen splittern. Museen müssen deshalb die Luftfeuchtigkeit und Temperatur ihrer Räume regeln: kühlen im Sommer, heizen im Winter, beides frisst viel Energie.

Lange Zeit galten die Richtlinien der internationalen Museumsvereinigung ICOM – mit einer Luftfeuchte von 50 Prozent und einer Raumtemperatur von 20 Grad. “Viele Häuser haben die Normwerte bisher nicht hinterfragt”, sagt Sina Hermann, nicht zuletzt aus Rücksicht auf Leihgeber und Versicherer. Bis März 2023 will der Museumsbund den Museen einen Energie-Leitfaden an die Hand geben, vergleichbar dem zum Umgang mit Beutekunst.

Pionier beim Energie- und Umweltmanagement ist die Staatsgalerie Stuttgart. Seit 2016 reduziert das Museum mit seiner 400.000 Exponate zählenden Sammlung seinen Energieverbrauch. Der Museums-Altbau wurde energetisch saniert, die nächtliche Außenbeleuchtung ausgeschaltet, Lampen mit stromsparenden Leuchtdioden bestückt, das Warmwasser für die Belegschaft abgestellt. “Wir haben bisher alle unsere Energiesparziele erreicht”, sagt Museumssprecher Georg Rotha. 

Auch andere Ausstellungshäuser haben Ideen für ein nachhaltigeres Museumsmanagement entwickelt. So heizt und kühlt das Frankfurter Städel-Museum Teile seiner Ausstellungsräume mit einer Geothermieanlage und somit ohne Gas.

Fassade des Fridericianums

Das Fridericianum in Kassel ist energiefreundlich – und zeigt sich solidarisch mit der Ukraine

Das Museum Fridericianum in Kassel und die Kunsthalle Bremen nutzen Erdwärme. Auch hier bleibt Gas als Energieträger außen vor.

Experte für das Energiesparen im Museum ist Stefan Simon, Leiter des Rathgen-Labors bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Er kritisiert vor allem Museumsneubauten: “Je jünger das Baudatum, je moderner das Museum, umso höher der Energieverbrauch, umso umfangreicher die Technik.” Das könne so nicht weitergehen, so Simon im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Und dann relativiert er die Ängste der Museumsleute: “Kulturgut geht nicht verloren, weil in Museen die relative Feuchte falsch eingestellt ist, sondern weil es brennt, weil eine Naturkatastrophe kommt oder weil ein Krieg stattfindet, wie wir es im Moment in der Ukraine erleben.”