“Hitlers Hengste” werden sie genannt, die drei Meter hohen Skulpturen aus Bronze, tonnenschwer. Im Nationalsozialismus standen sie vor Adolf Hitlers Reichskanzlei. Nun sollen zwei der Skulpturen erstmals wieder in der Zitadelle Spandau gezeigt werden.
Die “Schreitenden Pferde” sind ein Entwurf des Wiener Bildhauers Josef Thorak – einem Lieblingskünstler von Hitler. Deshalb tragen sie den Beinamen “Thorak-Pferde”.
Hitler ließ sie für die Neue Reichskanzlei in Berlins Mitte herstellen, dort standen sie mehrere Jahre im Garten unter dem Fenster seines Arbeitszimmers. 1943 wurden sie von der Neuen Reichskanzlei nach Wriezen im Oderbruch gebracht. Nach Kriegsende gelangten sie in die Hände der Roten Armee.
Ankunft in der Zitadelle Spandau: Ein Restaurator packt eines der Thorak-Pferde aus
Schmuck für “Germania”
Eines der Pferde steht schon länger in der Ausstellung der Berliner Zitadelle, ein zweites Exemplar wird nun enthüllt und von den Restauratoren untersucht. Zum Tag des Offenen Denkmals am 10. September 2023 wird es nach Angaben des Museums mit weiteren problematischen Kunstwerken zum ersten Mal wieder dauerhaft präsentiert. Die Skulpturen sollten – so war es Hitlers Vision – die “imperiale” Hauptstadt “Germania” schmücken – Pläne für die neue Nazi-Stadt lagen schon bereit.
Dass die Pferde nun wieder öffentlich ausgestellt werden können, ist einem der international bekanntesten Kunstdetektive zu verdanken: Arthur Brand. Er spürte sie auf. Denn lange waren die Pferde verschollen – erst 2015 wurden sie wiederentdeckt.
Warum soll man Nazi-Kunst ausstellen?
Nach einer Großrazzia gegen einen dubiosen Kunsthändlerring, der in Deutschland im Verborgenen agierte, wurden die Pferde in Bad Dürkheim entdeckt. Die Polizei stellte die Pferde sicher, ebenso wie Skulpturen von Fritz Klimsch und Arno Breker, die auch zu Hitlers Lieblingskünstlern zählten.
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“Entartete Kunst”: Wie Hitler und die Nazis Kunst diffamierten
Entartete Kunst
Als “entartete Kunst” bezeichneten Adolf Hitler und die Nationalsozialisten Kunstwerke der Moderne, deren Stil, Künstler oder Sujet ihnen nicht genehm waren. Die Nazis beschlagnahmten solche Kunstwerke ab 1937 aus deutschen Kunstmuseen. In einer Wanderausstellung wurde “entartete Kunst” vor Publikum an den Pranger gestellt. Hier besichtigen Goebbels und Hitler die Originalausstellung in München.
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“Entartete Kunst”: Wie Hitler und die Nazis Kunst diffamierten
Hitler und die Kunst
Hitler mochte die Romantik sowie Malerei des 19. Jahrhunderts, bevorzugt ländliche Idyllen. In seiner Privatsammlung fanden sich z.B. Werke von Cranach, Tintoretto und Bordone. Hitler wollte sich in seinem Ruhestand – analog zu seinen Vorbildern Ludwig I. von Bayern und Friedrich dem Großen – selbst einer Kunstsammlung widmen. Sie sollte in Linz an der Donau im “Führermuseum” gezeigt werden.
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“Entartete Kunst”: Wie Hitler und die Nazis Kunst diffamierten
Die Enteignungen
Die Nationalsozialisten waren nicht die Ersten, die Avantgarde-Künstler verfemten, aber sie gingen einen Schritt weiter, indem sie ihre Werke aus den Kunsthäusern verbannten. Über 20.000 Werke ließen die Machthaber 1937 aus 101 staatlichen deutschen Museen abtransportieren. Alles, was den Nazis als nicht erbaulich für das deutsche Volk erschien, wurde abtransportiert.
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“Entartete Kunst”: Wie Hitler und die Nazis Kunst diffamierten
Hitlers Nationalstil
Abstrakte Kunst hatte in Hitlers “Nationalstil” nichts verloren. Das machte auch die “Große Deutsche Kunstausstellung” klar, die am 18.7.1937 in München die traditionellen Landschafts-, Historien- und Aktmalereien u.a von Fritz Erler, Hermann Gradl oder Franz Xaver Stahl zur Schau stellte. Je näher das Sujet der realen Vorlage kam, umso schöner war sie in den Augen des Führers.
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“Entartete Kunst”: Wie Hitler und die Nazis Kunst diffamierten
Was als entartet galt
Sogar unter seinen Untergebenen herrschte große Unsicherheit darüber, welche Künstler Hitler akzeptierte. Klarheit brachten die Große Deutsche Kunstausstellung 1937 und die zeitgleiche Ausstellung “Entartete Kunst” in den Münchner Hofgarten-Arkaden. Verfemt wurden Kunstschaffende der Moderne, darunter Max Beckmann, Otto Dix, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Ernst Ludwig Kirchner und Max Pechstein.
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“Entartete Kunst”: Wie Hitler und die Nazis Kunst diffamierten
Entartete Kunst auf Tournee
Die Ausstellung “Entartete Kunst” zeigte 650 konfiszierte Kunstwerke aus 32 deutschen Museen. Sie setzte die Exponate mit Zeichnungen von geistig Behinderten gleich und kombinierte sie mit Fotos verkrüppelter Menschen, die bei den Besuchern Abscheu und Beklemmungen erregen sollten. Über zwei Millionen Besucher sahen die Schau, die in verschiedenen Städten gezeigt wurde.
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“Entartete Kunst”: Wie Hitler und die Nazis Kunst diffamierten
Rechtsgrundlagen
Das “Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst” vom 31.5.1938 legalisierte rückwirkend den entschädigungslosen Einzug der Kunstwerke. Nach Kriegsende behielt das Gesetz seine Gültigkeit, es habe lediglich Staatsbesitz umverteilt, beschieden die Alliierten. Werke, die Nazis als “entartete Kunst” aus den Museen trugen, können im Gegensatz zu Raubkunst bis heute frei gehandelt werden.
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“Entartete Kunst”: Wie Hitler und die Nazis Kunst diffamierten
Handel mit “entarteter Kunst”
Die beschlagnahmten Werke kamen in Depots in Berlin und ins Schloss Schönhausen. Viele Verkäufe enteigneter Werke wurden durch die vier Kunsthändler Hitlers, Bernhard A. Böhmer, Karl Buchholz, Hildebrand Gurlitt und Ferdinand Möller, durchgeführt. Ein Bestand an ca. 5000 nicht verkauften Kunstwerken wurde am 20.3.1939 von der Berliner Feuerwehr in einer als Übung bezeichneten Aktion verbrannt.
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“Entartete Kunst”: Wie Hitler und die Nazis Kunst diffamierten
Drehscheibe Schweiz
125 Werke waren für eine Versteigerung in der Schweiz vorgesehen. Eine von Hermann Göring und anderen eingesetzte Kommission zur Verwertung der Produkte entarteter Kunst schätzte die Mindestgebote und wählte schließlich die Galerie Fischer in Luzern für die Auktion aus. Diese Auktion fand am 30.6.1939 statt und fand großes Interesse in der ganzen Welt.
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“Entartete Kunst”: Wie Hitler und die Nazis Kunst diffamierten
Viel “entartete Kunst” bei Gurlitt
Über 21.000 Werke “entarteter Kunst” waren beschlagnahmt worden. Über die Anzahl, die seitdem verwertet worden sind, herrscht bis heute Uneinigkeit. Je nach Quelle ist die Rede von 6000 bis 10.000 veräußerten Werken. Anderes wurde vernichtet oder verschwand. Hunderte verschollen geglaubter Werke sind in Cornelius Gurlitts Sammlung wieder aufgetaucht. Und haben die Diskussion neu entfacht.
Autorin/Autor: Julia Hitz
Die Arbeiten sollten auf dem Schwarzmarkt verkauft werden – denn Nazi-Kunst ist auf dem offiziellen Kunstmarkt tabu. Warum wird diese Kunst dennoch in der Zitadelle ausgestellt?
Das Anliegen des Museums ist es, deutlich zu machen, wie sehr verschiedene Staatsmächte – vom Deutschen Kaiserreich bis zur DDR – mit ihren Denkmälern zwischen 1849 und 1986 versuchten, das Berliner Stadtbild zu prägen.
“Zeugnisse der deutschen Geschichte”
“Aufgrund der politischen Umbrüche im 20. Jahrhundert wurden immer wieder Denkmäler aus dem öffentlichen Raum entfernt, die für das neue System eine problematische oder sogar bedrohliche Erinnerung beziehungsweise Würdigung darstellten”, heißt es dazu auf der Internetseite der Spandauer Zitadelle. “Das Museum bietet eine Möglichkeit, sich mit den großen Symbolen des Deutschen Kaiserreichs, der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und der DDR auseinanderzusetzen, die vergraben und vergessen werden sollten – und jetzt als Zeugnisse der deutschen Geschichte eine neue Funktion erfüllen.”
Beim Stichwort “Große Symbole” mögen sich bei einigen Menschen die Augenbrauen heben – das Museum betont jedoch, dass es sich zu einem Zentrum für die Erforschung “toxischer” Denkmäler – die ja auch Zeugnisse deutscher Geschichte seien – entwickeln möchte. Auch die Bundesregierung hat den Erwerb der “Schreitenden Pferde” unterstützt.
Naziskulpturen an öffentlichen Plätzen
2022 sorgte bereits eine andere Ausstellung von Nazi-Kunst zu wütenden Protesten. Damals wurde die Münchner Pinakothek in einem empörten Offenen Brief dafür beschimpft, dass sie ein Gemälde des Nazi-Künstlers Adolf Ziegler gezeigt hat.
Georg Baselitz, einer der einflussreichsten zeitgenössischen Künstler, verlangte damals, dass das Bild entfernt werden solle. “Es schockiert, dass Nazipropaganda auf diese schmuddelige Art in einem Münchner Museum möglich ist”, so Baselitz.
Außerdem handele es sich um ein “schlechtes” Bild. Er empfand es als Beleidigung, dass sich Zieglers Werk in einem Raum mit den Künstlern, die dieser verfolgte, befand. “Ziegler hat Kunst und Künstler vernichtet. Er gehört nicht in den Saal seiner Opfer”, schrieb Baselitz laut der “Süddeutschen Zeitung”.
Viele NS-Propagandaskulpturen sind immer noch im öffentlichen Raum zu sehen, wie etwa im Berliner Olympiastadion, das vom NS-Regime für die Olympischen Spiele 1936 in Auftrag gegeben wurde. Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2006, bei der das Olympiastadion einer der Austragungsorte war, forderten einige Aktivisten die Entfernung der Statuen. Die Stadt lehnte dies jedoch mit der Begründung ab, dass eine Entfernung eine Verleugnung der deutschen Geschichte darstellen würde.
Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch.
Dies ist die aktualisierte Fassung eines Artikels vom 13. Januar 2023.