DW: Tsitsi Dangarembga hat sich enttäuscht gezeigt, dass der Prozess gegen sie weitergeht. War sie zu optimistisch?
Cornelia Zetzsche: Nein, hier in Simbabwe weiß jeder, dass man mit allem rechnen muss. Ihr Anwalt hat viel Optimismus ausgestrahlt, weil er anderen Mut machen wollte. Aber das Gesetz der Autokratien ist Willkür. Und das gilt auch für das Gericht. Also war alles offen. Ich hatte trotzdem das Gefühl, dass sie extrem enttäuscht war. Hinter der Maske, der Brille, der Mütze sieht man das nicht so gut. Sie selbst sagt, sie hätte bitter darüber gelacht, aber Enttäuschung ist natürlich berechtigt. Nach 29 Verhandlungstagen ist man einfach zermürbt.
Die Vorwürfe gegen Dangarembga liegen auf dem Tisch – der gravierendste: öffentliche Anstiftung zu Gewalt, Friedensbruch und Bigotterie. Weil sie von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch gemacht hat?
Es geht nicht so sehr um das Demonstrationsrecht, sondern um das, was auf den Schildern stand. Und darauf stand: “für die Freilassung von Journalisten, für Reformen, für ein besseres Simbabwe”. Das ist angeblich Landfriedensbruch, also ein Indiz für Anstiftung zu Gewalt, basierend auf den – auch gefälschten – Beweisen und Falschaussagen in vorherigen Verhandlungen. Und die Richterin, die zu dem Antikorruptionsgericht gehört, das direkt dem Präsidentenbüro unterstellt ist, folgte in allem der Anklage. Sie gibt dann der Verteidigung Gelegenheit, am 10. August noch einmal ihre Zeugen und Beweise vorzubringen.
Hier wird ein friedlicher Protest kriminalisiert. Das ist völlig absurd und hat mit unserem Verständnis von unabhängiger Rechtsprechung nichts zu tun. Es ist völlig klar, dass die beiden Angeklagten (mit Tsitsi Dangaremga steht die Journalistin Julie Barnes vor Gericht, Anm. d. Redaktion) zermürbt werden sollen. Dass überhaupt die Opposition entmutigt werden soll, damit sie außer Landes bleibt.
Angeklagt wegen der Forderungen auf ihren Protestplakaten: die Autorin Tsitsi Dangarembga in Simbabwe
“Der Regierung ein Dorn im Auge”
Die Vorwürfe wollen gar nicht so recht zu der Autorin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga passen, der Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Wofür steht sie?
Sie steht als Literatin schon für einen kritischen Blick auf ihr Land. Und zwar nicht nur auf die Regierungspartei, sondern auch auf die Bevölkerung. Ihre Bücher handeln von Frauen, die zum Teil selbst Kollaborateurinnen dieses Systems werden, das sie kaputt macht. Dangarembga spiegelt das Land in ihren Romanen sehr kritisch. Als Bürgerin äußert sie sich auch sehr kritisch gegenüber der Regierungspartei Zanu PF, damit ist sie ihr natürlich ein Dorn im Auge.
Sie haben für den deutschen PEN den Prozess in Harare begleitet und ihn als politischen Prozess bezeichnet. Was macht Sie da so sicher?
Mich macht sicher, dass es keine Gewaltenteilung gibt. Dass sie vor einem Anti-Korruptions-Gericht steht, obwohl keiner der Anklagepunkte irgendwas mit Korruption zu tun hat. Dass dieses Anti-Korruptions-Gericht direkt dem Präsidentenbüro untersteht und dass dieser Präsident nächstes Jahr Wahlen hat und nicht nur Tsitsi Dangarembga, sondern viele andere seiner Kritiker längst schon ausgeschaltet hat.
Simbabwe steht, wie Sie sagen, vor den Wahlen. Die politische Situation im Land ist seit vielen Jahren angespannt, auch die wirtschaftliche. Wirkt sich das auf diesen Prozess aus?
Ja, ich glaube, es wirkt sich dahingehend aus, dass das Interesse der Bevölkerung relativ gering ist. Die Bevölkerung hat gar keine Zeit, sich um Meinungsfreiheit zu kümmern. Wenn hier 90 Prozent Arbeitslosigkeit herrschen, wenn das Bildungssystem, das medizinische System, wenn alles marode ist, dann geht es ums Überleben. Und das wirkt sich auf jeden Fall aus. Auch werden die Gesetze immer rigider. Hier wird schon sehr stark der Machterhalt für nächstes Jahr vorbereitet.
Gemeinsam vor Gericht: die Journalistin Juli Barnes (l.) und die Autorin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga
“Gefängnis wäre die schlimmste Variante”
Hat Ihr Erscheinen als Beobachterin des deutschen PEN-Zentrums die Behörden irgendwie beeindruckt?
Dangarembgas Prominentenstatus ist sicher wichtig, und ich hoffe, dass meine Anwesenheit geholfen hat. Ich bin ja nicht nur für den PEN da, ich werde vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels unterstützt, von ihren beiden Verlagen, von der International Publishers Association. Die Friedrich-Naumann-Stiftung war hier vor Ort. Also es war schon eine große Präsenz. Vor dem Gericht stand eine Riesentraube, vor allem aus Fotojournalisten. Ich glaube schon, dass das eine Wirkung haben kann. Sicher wissen wir es nicht.
Am 10. August soll der Prozess fortgesetzt werden mit der Anhörung der Zeugen der Verteidigung. Wie erträgt das die 63-Jährige? Am Ende drohte ja womöglich Gefängnis.
Das wäre die schlimmste aller Varianten. Mein Eindruck ist, dass dieser Prozess einfach noch hingezogen wird, dass man einfach versucht, sie möglichst viel und lange außer Landes zu halten. Wie sie es erträgt, kann man nicht ganz genau sagen. Sie schien einerseits nicht überrascht, aber ich glaube, das ist ihrer ungeheuren Selbstdisziplin geschuldet. Sie sieht sich als Bürgerin ihres Landes. Sie setzt sich immer für ihr Land ein, das sie liebt. Und sie weiß, dass es vollkommen kaputt geht, wenn sie und andere Intellektuelle auch noch gehen.
Mit Cornelia Zetzsche (z.Zt. Harare) sprach Stefan Dege.