Schöner ist es, wenn im Vorfeld eines Kulturfestivals über verheißungsvolle Produktionen, große Darsteller und neue Ideen gesprochen wird. Doch der Krieg in der Ukraine drückt den Salzburger Festspielen in diesem Jahr einen Stempel auf und das nicht nur inhaltlich. Wegen undurchsichtiger Sponsorengelder aus Putin-nahen Unternehmen stehen die Festspiele seit Wochen in der Kritik. Darüber hinaus sorgt die finanzielle Unterstützung einer russischen Bank für Stardirigent Teodor Currentzis und sein Orchester MusicAeterna für Diskussionen.

Die Stars der Salzburger Festspiele 2022

Bühnenbild von Aida mit aufgebrochenem weißen Kubus, in dem der Chor singt.

Die iranische Fotokünstlerin Shirin Neshat und der französische Dirigent Alain Altinoglu arbeiten zusammen bei Verdis “Aida”

Die Salzburger Festspiele gehören weltweit zu den bedeutendsten Kulturfestspielen. Vom 18. Juli bis zum 31. August finden 174 Aufführungen aus Oper, Schauspiel und Konzert an 17 Spielstätten statt. Auch in diesem Jahr gibt es die großen Opern-Premieren und -Neuinszenierungen mit Rossinis “Barbier von Sevilla”, Verdis “Aida”, Mozarts “Zauberflöte” oder Puccinis Opernzyklus “Il trittico” mit der erfolgreichen litauischen Sopranistin Asmik Grigorian.

International renommierte Dirigenten wie Andris Nelsons, Riccardo Muti oder Daniel Barenboim dirigieren die Wiener Philharmoniker. Und der bekannte deutsche Schauspieler Lars Eidinger wird wie im vergangenen Jahr den “Jedermann” spielen. Ein Stück von Hugo von Hofmannsthal über den reichen “Jedermann”, der erst im Angesicht des Todes über seine Verfehlungen zu Lebzeiten nachdenkt. Das Schauspiel eröffnet jedes Jahr die Salzburger Festspiele auf dem Domplatz.

Sponsor von Teodor Currentzis auf europäischer Sanktionsliste 

Bildkombo Romeo Castellucci und Teodor Currentzis.

Eingespielt und erfolgreich bei den Salzburger Festspielen: Romeo Castellucci (l.) und Teodor Currentzis (r.)

Das eingespielte Team Teodor Currentzis und Romeo Castellucci arbeitet in diesem Jahr zum dritten Mal bei den Salzburger Festspielen zusammen. Der griechisch-russische Dirigent und der italienische Regisseur führen unter anderem Carl Orffs Oratorienoper “De temporum fine comoedia” auf, was auf Deutsch “Das Spiel vom Ende der Zeiten” heißt und derzeit wie ein Omen klingt.

Doch die Freude auf das großangelegte Werk mit starkem Chor und Orchesteraufgebot sowie rund 100 Schlaginstrumenten aus verschiedenen Musikkulturen, wird durch die Diskussion um Teodor Currentzis und die russischen Sponsoren getrübt.

Seit längerem gab es im Vorfeld Kritik, die Salzburger Festspiele ließen sich trotz des Ukraine-Kriegs noch von russischen Sponsoren unterstützen. Auch der Stardirigent Teodor Currentzis wird mit seinem Orchester MusicAeterna zu einem großen Teil durch eine russische Bank gesponsert, die auf der europäischen Sanktionsliste steht.

Salzburger Festspiele halten Currentzis die Treue

Auf Drängen des damaligen ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrij Melnyk, hatte das Wiener Konzerthaus im April ein Benefizkonzert für die Ukraine mit Currentzis am Dirigentenpult abgesagt. Der Intendant der Salzburger Festspiele, Markus Hinterhäuser, hatte daraufhin der österreichischen Tageszeitung “Der Standard” erklärt, dass man nicht vorhabe, auf Currentzis zu verzichten. “Er war eine der prominentesten Stimmen für den unter Hausarrest gestellten Regisseur Kirill Serebrennikow”, sagt Hinterhäuser.

Intendant Markus Hinterhäuser im Porträt.

Festspiel-Intendant Markus Hinterhäuser will russische Musiker nicht unter Generalverdacht stellen

Schon im März nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatte Markus Hinterhäuser im Österreichischen Rundfunk erklärt, man dürfe nicht alle russischen Künstler unter Generalverdacht stellen und müsse berücksichtigen, dass hohe Strafen in Russland drohen, wenn man sich gegen Putin ausspreche. Damals ging es um die Absage von Auftritten mit dem russischen Dirigenten und Putin-Freund Valery Gergiev und der Starsopranistin Anna Netrebko.

Intendant: “Wir werden in eine Art Schmuddelecke gestellt”

Die Salzburger Festspiele selbst werden unter anderem von einer Stiftung des russischen Oligarchen Leonid Michelson gesponsert, der Hauptaktionär des russischen Petrochemie-Konzerns “Sibur” ist. Die Stiftung steht allerdings nicht auf der Sanktionsliste der EU. “Sollte sich daran etwas ändern, werden wir selbstverständlich die Verbindung zur Stiftung beenden”, sagt Hinterhäuser im “Standard”. “Wir werden derzeit in eine Art Schmuddelecke gestellt. Es wird so getan, als ob sich Klassikfestivals ausschließlich von toxischem Geld sponsern lassen, dass die Klassikwelt ein Schattenreich Putins wäre. Das ist so lächerlich wie unwahr.”

Menschen flanieren auf der Hofstallgasse.

Auch in den Straßen Salzburgs werden die Festspiele gefeiert

Anders sieht es im Fall des Bergbauunternehmens Solway mit Sitz in der Schweiz aus, von dem sich die Festspiele am 5. Juli getrennt haben. Solway hatte vor allen Dingen das Kinder- und Jugendprogramm der Festspiele gesponsert. Bei den Vorwürfen gegen das Unternehmen ging es nicht nur um Kontakte von Mitarbeitern zum Kreml, sondern vor allen Dingen um Umweltschäden, Korruption, Menschenrechtsverletzungen in einer Nickelmine in Guatemala und die Einschüchterung und Verfolgung von kritischen Journalisten und Aktivisten. Da das Unternehmen die Vorwürfe bis zum Beginn der Festspiele nicht grundlegend widerlegen konnte, hat man den Sponsorenvertrag in “gegenseitigem Einvernehmen” aufgehoben.

Ilija Trojanow hält Eröffnungsrede

Salzburg Felsenreitschule Gebäude mit Pferdekutsche davor.

Die Felsenreiterschule ist einer der beliebten Salzburger Freilicht-Aufführungsorte mit mobilem Dach

Dass sich die Festspiele jenseits der Sponsoren-Problematik intensiv mit dem Thema Ukraine-Krieg auseinandersetzen, zeigt allein schon die Wahl des Eröffnungsredners beim Festakt der Festspiele am 26. Juli.

Eingeladen ist der deutsche Schriftsteller Ilija Trojanow, der sich zuletzt für den Gas- und Ölboykott Russlands ausgesprochen hat. Der gebürtige Bulgare wird zum Thema “Der Ton des Krieges, die Tonarten des Friedens” sprechen. Er hat in verschiedenen Ländern und Kulturen gelebt und gilt als engagierter Beobachter und Kritiker von Korruption und Intoleranz.

Krieg, Klima und Corona

Die Probleme der heutigen Zeit tangieren auch die Produktionen der Festspiele. Zur Neuinszenierung von Mozarts “Zauberflöte”, die zuletzt 2018 auf dem Spielplan stand, sagte Regisseurin Lydia Steier in einer Gesprächsveranstaltung der Festspiele, dass man heute einen anderen Blickwinkel auf die Welt habe als 2018: “Wir haben alle etwas verloren – im günstigsten Fall nur Zeit oder Geld, im schlimmsten Fall einen Menschen oder Gesundheit”, sagt sie mit Bezug auf die Corona-Pandemie. Man habe heute ein junges Team, das sich mit aktuellen Themen auseinandersetze. “Nicht nur mit dem Thema Krieg, sondern beispielsweise auch mit der Frage: Ist die Rolle der Pamina frauenfeindlich?” (Anm. d. Red.: Gemeint ist die entführte Tochter der Königin in Mozarts Zauberflöte)

Seit dieser Saison haben die Festspiele mit Kristina Hammer eine neue Festspiel-Präsidentin. Zum Abschied schreibt die aus dem Amt scheidende Helga Rabl-Stadler auf der Homepage der Festspiele: “Ich glaube fest daran, dass die Kunst in unserer ziemlich aus den Fugen geratenen Welt Orientierung bieten kann”. Deshalb wolle man 2022 in Oper, Theater und Konzert die richtigen Fragen stellen und die Fantasie für neue Lösungen wecken.