Im Alter von 80 Jahren ist der deutsche Theater- und Opernregisseur Hans Neuenfels am Sonntagabend in Berlin gestorben, wie seine Familie über einen Anwalt mitteilte. Neuenfels galt als eine der renommiertesten und gleichzeitig umstrittensten Größen der Theaterwelt und hat auf fast allen großen Bühnen im deutschsprachigen Raum inszeniert.

Berühmtheit erlangte er mit seinen – nicht selten kontrovers diskutierten – Opernaufführungen, etwa von Verdi und Mozart. 2010 inszenierte er bei den Bayreuther Festspielen Richard Wagners “Lohengrin”, bei dem ihm statt eines mittelalterlichen Motivs ein Tierversuchslabor als Szene diente. Chor, Statisten und einige Solisten traten in Rattenkostümen auf. Die 2010 bei der Premiere noch ausgebuhte Inszenierung hat inzwischen Kultstatus erreicht.

Inszenierung am Rande des Wahnsinns

Über “Lohengrin” – an dem schon einige Regisseure verzweifelt sind – sagte Neuenfels damals im Gespräch mit der DW: “Wenn man Regie macht, geht man auf jeden Fall an die Grenze. Es ist fast unzumutbar. Und wenn man es dann geschafft hat, ist es herrlich und einmalig. Jeder soll sich mit einer Inszenierung an den Rand des Wahnsinns begeben. Dann kommt der Nächste.” In Bayreuth seien Wagner-Stücke jahrzehntelang aufgeführt worden. Ein großer Teil der Zuschauer kenne sie mehr als auswendig. “So kann man ohne Weiteres ungewöhnliche Nebenwege gehen.”

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Kultur.21 # Debüt in Bayreuth – Wie sich Hans Neuenfels auf dem Grünen Hügel schlägt # 31.07.2010

Ungewöhnlich, bildgewaltig, provokativ: So wurden Neuenfels’ Inszenierungen in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Nach seiner Schauspiel- und Regieausbildung in Wien wurde er in den 1970-er Jahren durch die Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Michael Gielen und dem Dramaturgen Klaus Zehelein am Frankfurter Opernhaus berühmt. 

Aida als Putzfrau

Mit seiner Inszenierung von Giuseppe Verdis “Aida” als Böden schrubbende Putzfrau löste Neuenfels 1981 einen Skandal aus. Dies blieb nicht die einzige Kontroverse: Seine Version von Mozarts “Idomeneo” an der Deutschen Oper Berlin wurde 2006 zeitweise abgesetzt: Wegen einer Szene, in der König Idomeneo die abgeschlagenen Köpfe von Buddha, Mohammed, Jesus und Poseidon auf vier Stühle legt, fürchtete man sich vor islamistischen Anschlägen. 

Neuenfels arbeitete unter anderem am Theater Heidelberg, dem Stuttgarter Staatstheater und dem Schauspiel Frankfurt und war Ende der 1980er Jahre Intendant des Theaters der Freien Volksbühne in Berlin. Neben seiner Arbeit für das Theater drehte Neuenfels auch Filme über Dichter wie Heinrich von Kleist oder Jean Genet. 2005 und 2008 wurde Neuenfels als Opernregisseur des Jahres ausgezeichnet. 2016 erhielt er den Deutschen Theaterpreis “Faust” für sein Lebenswerk. Als Regisseur von Schauspiel und Oper, als Dichter, Schriftsteller und Filmemacher treibe er “die zeitgenössische Weiterentwicklung der darstellenden Künste vehement voran”, hieß es bei der Verleihung des Preises. “Mit seinem Wirken inspiriert er ganze Generationen von Schauspielern, Sängern und Regisseuren.” 

mjs/pj (dpa)