Das Wichtigste in Kürze:
- Bundesnetzagentur-Chef Müller: Gaspreise könnten Plateau erreicht haben
- Präsident Selensky will Rückeroberung Schritt für Schritt
- Raketenbeschuss vom Kaspischen Meer aus
- Getreidewaggons rollen nach Russland
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sieht Hinweise darauf, dass die Gaspreise vorerst nicht weiter steigen werden. “Es hat in dieser Woche keinen signifikanten Preissprung mehr gegeben, obwohl Nord Stream 1 abgeschaltet wurde”, sagte Müller der Zeitung “Bild am Sonntag”. Das könne bedeuten, dass die Märkte “den Ausfall russischer Gas-Lieferungen bereits eingepreist und wir ein
Gas-Preis-Plateau erreicht haben”. Ob diese höheren Preise, “die wir der russischen Gas-Reduzierung verdanken”, kurzfristig weitergegeben werden müssten, sei noch nicht entschieden.
Müller sagte weiter, im Fall einer Gas-Mangellage müsse sich Deutschland seinen Nachbarstaaten gegenüber solidarisch verhalten. Das bedeute, dass im Notfall auch Gas aus deutschen Speichern für die Versorgung der kritischen Infrastruktur in anderen Ländern bereitgestellt werden müsse.
Seit Juni deutlich weniger Gas geliefert
Im Juni hatte der russische Energiekonzern Gazprom die Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 in der Ostsee deutlich gedrosselt und dies mit einer fehlenden Turbine begründet, die in Kanada gewartet wurde. Wegen der infolge des Ukraine-Kriegs verhängten Sanktionen weigerte sich Kanada zunächst, die Turbine an Russland zurückzugeben. Dann wurde das Aggregat an Deutschland weitergereicht. Der zuständige Siemenskonzern versicherte, man werde die Turbine zügig wieder einbauen.
Rohrsysteme der Ostseepipeline Nord Stream 1 in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern
Seit Montag wird durch Nord Stream 1 wegen turnusmäßiger Wartungsarbeiten kein Gas mehr geliefert. Die Arbeiten sollen bis zum 21. Juli dauern. Mehrere westliche Politiker sind skeptisch, ob Russland anschließend wieder Gas durchleiten wird.
Selenskyj will verlorenes Terrain zurückerobern
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Absicht bekräftigt, von Russland besetzte Gebiete seines Landes zurückzuerobern. “Es ist uns bereits gelungen, einen Teil des nach dem 24. Februar besetzten Territoriums zu befreien”, sagte Selenskyj in der Nacht zum Sonntag in seiner täglichen Videoansprache. “Nach und nach werden wir auch andere Regionen unseres Landes befreien, die zurzeit besetzt sind.”
Knapp fünf Monate nach Kriegsbeginn hatte die Ukraine zuletzt Gegenoffensiven im Süden gestartet und etwa vor einigen Tagen in der Region Cherson ein russisches Munitionslager beschossen.
Aktuelle Karten zeigen russische Gebietsgewinne – Präsident Selenskyj (r.) glaubt aber an eine Wende
Selenskyj warf Russland vor, im Krieg gegen sein Land gezielt Falschnachrichten als Waffe einzusetzen. Die Ukrainer bräuchten “eine Art emotionaler Souveränität”, um dieses “Informationsspiel” nicht mitzuspielen, sagte er. Unwahrheiten etwa über angeblich vorbereitete Raketenangriffe verfolgten nur einen Zweck: “den Raketen- und Artillerie-Terror gegen unseren Staat durch Informationsterror zu ergänzen”.
Russen verstärken Stellungen im besetzten Süden
Das russische Militär verstärkt nach britischen Angaben seine Verteidigungsstellungen in den besetzten Gebieten im Süden der Ukraine. Truppen und Ausrüstung würden zwischen Mariupol und Saporischschia sowie in der Region Cherson aufgestockt, teilt das Außenministerium in London unter Bezug auf den jüngsten Bericht des militärischen Geheimdienstes Großbritanniens mit. Auch in Melitopol würden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt.
Raketenbeschuss vom Kaspischen Meer aus
Russland hat die Ukraine nach Angaben aus Kiew von der Region des Kaspischen Meeres aus mit Raketen beschossen. Vier von insgesamt sechs Raketen seien über den Gebieten Dnipro im Osten und Saporischschja im Süden abgefangen worden, teilten die ukrainischen Luftstreitkräfte mit. Zwei weitere seien auf landwirtschaftlich genutztem Gebiet in der zentralukrainischen Region Tscherkassy eingeschlagen. Der Schaden werde noch untersucht.
An das Kaspische Meer grenzen neben Russland unter anderen auch die Südkaukasus-Republik Aserbaidschan und das zentralasiatische Kasachstan. Nach ukrainischer Darstellung sollen bei dem Beschuss Langstreckenbomber vom Typ Tupolew Tu-95 zum Einsatz gekommen sein. Aus Moskau gab es zunächst keine Bestätigung. Russland hatte zuvor allerdings angekündigt, knapp fünf Monate nach Kriegsbeginn die Angriffe auf das Nachbarland wieder ausweiten zu wollen. Nachdem bereits am Freitag zwischenzeitlich in der gesamten Ukraine Luftalarm ausgelöst worden war, heulten die Sirenen auch am Samstag wieder in fast allen Landesteilen.
100 Waggons mit Getreide rollen Richtung Russland
Die prorussische Verwaltung einer Region im Südosten der Ukraine führt nach eigenen Angaben in großem Umfang Getreide aus. “Mehr als 100 Waggons wurden bereits abgeschickt, ein weiterer Vertrag über 150.000 Tonnen wurde mit einem Getreidehändler abgeschlossen”, teilte der Chef der russischen Militärverwaltung von Saporischschja, Jewgeni Balizki, auf seinem Telegram-Kanal mit. Die Ukraine wirft Russland bereits seit Monaten Getreidediebstahl vor.
Die Ukraine war vor dem Krieg einer der größten Getreideexporteure der Welt
Balizki machte keine Angaben dazu, wohin das Getreide gebracht werden soll. Per Bahn kann das Getreide aber nur nach Russland oder auf die von Russland seit 2014 annektierte Halbinsel Krim transportiert werden. In einem vor Ort typischen Eisenbahnwaggon können ukrainischen Angaben zufolge rund 70 Tonnen Getreide transportiert werden. Laut Balizki ist neben dem Eisenbahntransport aber auch die Verschiffung über den Seeweg geplant. “Etwa 100.000 Tonnen werden über den Seehafen Berdjansk exportiert”, kündigte er an.
Saporischschja weiter unter ukrainischer Kontrolle
Russland hatte nach Beginn des Einmarsches in die Ukraine im Februar schnell den südlichen Teil der Region Saporischschja mit dem dort befindlichen Hafen Berdjansk am Asowschen Meer erobert. Der Vormarsch nach Norden wurde allerdings gestoppt, so dass die Gebietshauptstadt Saporischschja selbst weiterhin unter der Kontrolle Kiews steht. Nach Angaben aus Kiew stecken durch den russischen Angriff und die Seeblockade im Schwarzen Meer mehr als 20 Millionen Tonnen ukrainisches Getreide fest.
se/AR/haz/ack (dpa, rtr, afp, ap)