Fast 30 Mal musste Tsitsi Dangarembga in Simbabwes Hauptstadt Harare nun schon vor Gericht erscheinen: “Es ist zur Routine geworden, nicht völlig frei zu sein”, sagt die Schriftstellerin und Aktivistin im Interview mit der DW und zeigt sich betrübt darüber, dass diese Zeit ihr fehle, um sich voll und ganz dem Schreiben widmen zu können. Die Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels ist weltweit bekannt für ihre engagierte Literatur und ihre Filme, in denen sie gesellschaftliche Tabuthemen wie etwa Aids und Gewalt gegen Frauen anspricht.

Verhaftet und schließlich angeklagt wurde Dangarembga, weil sie sich im vergangenen Juli gemeinsam mit ihrer Freundin, der Journalistin Julie Barnes, einer friedlichen Demonstration angeschlossen hatte. Im Vorfeld war die Bevölkerung angewiesen worden, zu Hause zu bleiben, Hunderte von Polizisten und Soldaten waren im Einsatz, um die Maßnahmen durchzusetzen. Das Land im südlichen Afrika befindet sich seit dem Sturz des langjährigen Präsidenten Robert Mugabe und der anschließenden Machtübernahme durch seinen ehemaligen Stellvertreter Emmerson Mnangagwa im Jahr 2017 in einer tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise.

Julie Barnes und Tsitsi Dangarembga mit Mundschutz vor dem Gerichtsraum in Harare

Julie Barnes und Tsitsi Dangarembga müssen jedes Mal persönlich vor Gericht erscheinen

Dangarembga und Barnes trugen Plakate bei sich, die Reformen, die Befreiung inhaftierter Journalisten sowie “ein besseres Simbabwe für alle” forderten. Angeblich hätten sich die Frauen damit des Landfriedensbruchs, der Bigotterie und der Anstiftung zu Gewalt schuldig gemacht. Ein Vorwurf, der in der Vergangenheit zur Verhaftung von mehreren anderen Demonstranten und Aktivisten geführt hat, die sich regierungskritisch äußerten. Etwa der Enthüllungsjournalist Hopewell Chi’Nono, der 2020 aufgedeckt hat, dass Regierungsmitglieder Geld zur Pandemiebekämpfung in den eigenen Taschen verschwinden ließen und zu Protesten aufgerufen hatte. Einen Monat lang saß er daraufhin in Untersuchungshaft und wurde misshandelt.

Das Anwaltsteam von Tsitsi Dangarembga: Chris Mhike, Beatrice Mtetwa und Doug Coltart

Der juristische Beistand von Tsitsi Dangarembga: Chris Mhike, Beatrice Mtetwa und Doug Coltart

Immer mehr Menschen als regierungskritisch eingestuft

Schätzungen der Organisation “Simbabwe Lawyers for Human Rights” (simbabwische Menschenrechtsanwälte) zufolge wurden in den letzten drei Jahren mehr als 1000 Personen wegen verschiedener menschenrechtsbezogener “Verbrechen” vor Gericht gestellt und teilweise zu langen Haftstrafen verurteilt. Besorgniserregend sei auch die Länge der Verfahren, durch die die Angeklagten mürbe gemacht werden sollten: “Es ist erschöpfend, immer wieder vor Gericht erscheinen zu müssen”, so der simbabwische Menschenrechtsanwalt Doug Coltart, der in den vergangen Jahren mehrere Aktivisten in Harare vor Gericht vertreten hat. “Oft gibt es belastende Kautionsauflagen und die Menschen werden unter Hausarrest gestellt. Ihre Pässe werden ihnen abgenommen, manchmal werden ihnen sogar die Eigentumsurkunden entzogen. Auf diese Weise wird jemand wirklich bestraft, bevor er überhaupt verurteilt wurde.”

Dangarembga hält ein Plakat mit der Aufschrift We want better reform our institutions hoch

Dangarembga kämpft seit Jahren in ihrem Heimatland gegen Korruption und für Reformen

Die Prozesse gegen Dangarembga und anderer Aktivisten werden in Simbabwe vor dem sogenannten Antikorruptionsgericht geführt. 2018 als Abteilung des Obersten Gerichtshofs eingerichtet, soll es die Verhandlung von Korruptionsfällen beschleunigen und untersteht als einziges nicht dem Justizministerium, sondern direkt dem Präsidentenbüro. “Es ist wirklich eine Farce, dass die Prozesse vor einem Antikorruptionsgericht stattfinden”, so Rechtsanwalt Coltart. “Es scheint, dass in diesem Gericht andere Regeln gelten. Kautionen werden häufiger und routinemäßig verweigert.”

Massive Freiheitsbeschränkungen

Die Verfassung Simbabwes garantiert das Recht auf friedliche Demonstration, freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit, die Anwendung des Gesetzes sehe jedoch anders aus, so Christopher Mhike: “Die Einschränkung der Freiheiten in unserem System hat eine abschreckende Wirkung auf die Fähigkeit der Bürger, sich frei zu äußern”, so Tsitsi Dangarembgas Anwalt gegenüber der DW. “Während die Verfassung von Redefreiheit in Simbabwe spricht, müssen sich viele fragen, ob es nach der Rede überhaupt noch Freiheit gibt.”

Mutige Aktivistin: Tsitsi Dangarembga

Dangarembga selbst hatte sich im Interview mit der DW im vergangenen Jahr ähnlich geäußert: “In Simbabwe gibt es einen Witz: Es gibt Freiheit VOR der Meinungsäußerung, aber es gibt keine Freiheit NACH der Meinungsäußerung”, so die 1959 geborene Autorin. Dennoch wolle sie ihrem Land nicht den Rücken kehren: “So ist das Leben in Simbabwe. Ich bin eine Simbabwerin und lebe in Simbabwe. Und das scheint ein Teil des Lebens in Simbabwe zu sein.” Am 26. August wird das Urteil gegen Dangarembga erwartet. Im Falle einer Verurteilung drohen ihr mehrere Jahre Haft. 

Mitarbeit: Annabelle Steffes-Halmer
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.