Endlich ertönt er wieder auf dem “Heiligen Acker”: Der Schlachtruf “Wackeeeeeeeen!” Während auf dem Festivalgelände die letzten Vorkehrungen an Bühne und Technik getroffen werden, reisen seit dem Wochenbeginn die ersten Fans an und beginnen, ihre Zelte, Wohnmobile und Camps aufzustellen. Die Vorfreude der Metalheads ist riesig, immerhin mussten sie wegen der Coronapandemie zwei Jahre auf diesen Moment warten. Doch jetzt machen sich wieder Zigtausende auf den Weg. Sie kommen aus allen Teilen der Welt in das kleine Dorf in Norddeutschland: Australien, Mexiko, Japan, Israel, Chile, Hawaii, Texas, Südafrika, Neuseeland. Bereits am Montag gab es große Anreisestaus, die Metalheads jedoch waren guter Dinge. Hauptsache Bier im Kühlschrank und gute Musik.
Jetzt auch eine offizielle Sehenswürdigkeit
Dass das Wacken Open Air (kurz: W:O:A) nicht nur Metalfans aus aller Welt anlockt, sondern auch neugierige Touristen, ist inzwischen normal.
Jetzt auch eine offizielle Sehenswürdigkeit!
Das Dorf Wacken in Schleswig-Holstein, das knapp 2.000 Einwohner zählt, wird einmal im Jahr durch das inzwischen 32 Jahre alte Festival zu einem Ort, der fast städtische Ausmaße annimmt. Insgesamt tummeln sich dort in der “Wacken-Woche” bis zu 85.000 Menschen; neben dem zahlenden Publikum und den Dorfbewohnern kommen noch tausende Mitarbeiter, Medienvertreter, die Musiker und deren Crews dazu. Die das Dorf umgebenden Äcker und Kuhwiesen werden zu einer gigantischen Zeltstadt mit einer straff organisierten Infrastruktur. Fans nennen das 240 Hektar große Areal “Holy Ground” bzw. “Heiliger Acker”.
Dieser Acker wird seit Neuestem durch eine touristische Hinweistafel an der Autobahn A 23 geadelt. Während mit solchen Tafeln sonst auf Sehenswürdigkeiten wie Schlösser, Museen, Naturschutzgebiete und sogar auf UNESCO-Welterbestätten hingewiesen wird, zeigt dieses Schild die großen Wacken-Hauptbühnen mit dem Stierkopf, Publikum und Pommesgabel – der Geste, mit dem sich die Wackenleute grüßen und den Bands huldigen.
Vielseitiges Line-Up
Zu huldigen gibt es 2022 gut 200 Bands – Neulinge wie alte Wacken-Hasen. Headliner sind Slipknot, die zum ersten Mal dabei sind, Powerwolf und Judas Priest.
Blick auf eine der beiden Hauptbühnen beim W:O:A 2019
Vorgesehen waren auch Rammstein-Sänger Till Lindemann mit seinem Soloprogramm und Limp Bizkit. Beide mussten jedoch absagen. Die Enttäuschung der Fans währte nicht lange, denn das Line-Up lässt sich auch ohne diese Headliner sehen und besticht durch seine Vielfältigkeit: Arch Enemy, Feuerschwanz, Gloryhammer, Therapy?, Hämatom. Es gibt ein Wiedersehen mit Life of Agony und der finnischen Monstertruppe Lordi, die 2006 den Eurovision Song Contest gewonnen hat, außerdem erstmals dabei der Rapper Alligatoah und die Punker von Slime schauen auch mal wieder vorbei.
Einige Bands sind schon lange im Geschäft, und so gibt es dieses Jahr in Wacken mehrere Bandjubiläen zu feiern: Die deutschen Mittelalter-Rocker von In Extremo feiern ihr 25. Bandjubiläum. Die deutsche Metalband Grave Digger feiert ihr 40. Bandjubiläum. Cirith Ungol aus Kalifornien und die britischen Haudegen von Judas Priest feiern gar ihr 50. Jubiläum.
Alaaf auf Wacken: Die Höhner kommen
Irritationen gab es in der Metalgemeinde, als bekannt wurde, dass mit “Die Höhner” eine echte kölsche Karnevalsband in Wacken auftreten soll. Kritische Stimmen meinten, dass das Festival jetzt endgültig zur Kirmes verkäme. Jedoch gab es von Anfang an solche “Ausreißer” im Wacken-Programm. Beim allerersten Wacken Open Air 1990 spielte Schlagersänger Michy Reincke dort auf. 2013 brachten Rammstein den Volksmusiksänger Heino mit auf die Bühne. 2019 trat der Witzebarde Otto Waalkes in Wacken auf. Die Hambuger Spaßtruppe “Torfrock” ist regelmäßiger Gast. Ein Dauerbrenner ist Mambo Kurt, der mit seiner Tanzmusik-Orgel Rock- und Metalklassiker zum Besten gibt – und jedes Jahr wird das W:O:A traditionell vom hiesigen Feuerwehrorchester Wacken Firefighters eröffnet.
Dass die Höhner eingeladen wurden, ist eine Idee, die am Tresen entstanden ist: Wacken-Mitgründer Holger Hübner und Höhner-Frontmann Henning Krautmacher hatten offenbar bereits mehrere Schnäpse intus, als sie auf die Idee kamen, die Höhner nach Wacken zu bringen. Gesagt, getan – und ein tolles Abschiedsgeschenk für Krautmacher, der in diesem Jahr nach 36 Höhner-Jahren in den Ruhestand geht.
Metalfans feiern das Feuerwehr-Blasorchester “Wacken Firefighters”
Die meisten Wacken-Besucher nehmen den Besuch der Höhner gelassen: Wem das nicht gefällt, der muss ja auch nicht hingehen, hieß es in vielen Kommentaren in den Sozialen Medien. Hinzu kommt, dass sich vor den Bühnen, auf denen eher lustige Musik präsentiert wird, auch sehr viele lustige Metalheads versammeln und fröhlich feiern und mitgrölen, bevor sie sich später zu den großen Bühnen begeben, auf denen es dann weitaus härter zugeht.
#Greenwacken: Gewinnspiel gegen den Festivalmüll
Das Programm startet für viele Wackenfans bereits mit der Ankunft auf dem Campingplatz. Die ersten Bierdosen werden geöffnet, die Musik angeworfen und dann richtet man sich für die nächsten Tage ein. Da ist es nicht nur mit Zelt oder Wohnwagen getan. Einige Gruppen errichten ganze Camps, mit Sitzmöbeln, Kühlwagen oder -schränken bis hin zum eigenen Dixie-Klo. So eingerichtet, machen die Metalheads nicht nur vor der Bühne Party sondern auch auf den Campgrounds – und damit die Nacht zum Tage. Empfindlichen Besucherinnen und Besuchern seien hier Ohrenstöpsel ans Herz gelegt.
Der echte Metalhead braucht auch ein wenig Gemütlichkeit
Die Partyzonen auf den Campingplätzen sorgen jedes Jahr aufs Neue für Ärger: Die Fans lassen bei der Abreise nicht nur kaputte Zelte, Pavillons und Stühle stehen. Auch Kühlschränke, alte Sofas und Europaletten – sprich: Sperrmüll. Den zu entsorgen, kostet immens viel Zeit und Geld. Daher wollen die Wacken-Veranstalter die Leute mit einem Gewinnspiel locken. Hinterlässt man am Abreisetag seinen Platz sauber, soll man dies fotografieren und unter dem Hashtag #greenwacken bei Instagram posten. Es winken Preise, darunter auch die begehrten Tickets für Wacken 2023. Der Vorverkauf für das Festival, das 2023 erstmals vier Tage dauern soll (02.08. – 05.08. 2023) beginnt einen Tag nach dem Ende des diesjährigen W:O:A – in der Nacht zum 8. August 2022.