Wer in diesem Jahr zu den Festspielen nach Bayreuth vom 25. Juli bis zum 1. September kommt, kann sich über fünf Premieren freuen. Im Festspielhaus auf dem “grünen Hügel”, Pilgerort für Wagnerfans aus der ganzen Welt, gibt es so viele Wagner-Opern zu sehen wie noch nie. Den Anfang macht eine Neuinszenierung von Wagners Liebesdrama “Tristan und Isolde”. Mit Spannung wird die neue Inszenierung des Opernzyklus “Der Ring des Nibelungen” erwartet.
Festspiel-Intendantin Katharina Wagner hat sich für 2022 viel vorgenommen
Nachdem im vergangenen Jahr wegen der Corona-Pandemie sowohl der Spielplan als auch das Publikum ausgedünnt waren, freut sich Festspiel-Intendantin Katharina Wagner über die gute Auslastung: “Corona hat leider auch zu Publikumsschwund geführt, viele Häuser bemerken dies mit einem starken Rückgang auch im Bereich der Abonnenten”, sagte sie der Deutschen Presseagentur. “Wir sind sehr glücklich, quasi ausverkauft zu sein.”
Fünf Premieren und drei Wiederaufnahmen
Für den insgesamt 16-stündigen Zyklus “Der Ring des Nibelungen”, der 1876 uraufgeführt wurde, hatte Richard Wagner sein Festspielhaus nach eigenen architektonischen Ideen bauen lassen. Heute ist das Gebäude für die hervorragende Akustik international berühmt.
Der fliegende Holländer mit Asmik Grigorian steht auch in diesem Jahr auf dem Spielplan
Neben “Tristan und Isolde” und Wagners “Ring” mit den vier Teilen “Das Rheingold”, “Die Walküre”, “Siegfried” und “Götterdämmerung”, werden auch die Opern “Lohengrin” und “Tannhäuser” wieder aufgeführt. Darüber hinaus der “Fliegende Holländer” aus dem vergangenen Jahr, dirigiert von Oksana Lyniv, die nach wie vor die erste Frau am Dirigentenpult der Bayreuther Festspiele ist. Es werden also acht verschiedene Vorstellungen geboten von insgesamt nur zehn Wagner-Opern, die der Komponist für eine Aufführung im Festspielhaus erlaubt hat. Die Familie Wagner hält sich bis heute an diese Vorgabe.
Ringtausch beim “Ring” in letzter Minute wegen Corona
Corona begleitet die Festspiele noch hinter den Kulissen. In der Mitte Valentin Schwarz.
Dass die Corona-Pandemie noch nicht vorüber ist, merkt man schmerzlich in Bayreuth. Erst vor ein paar Tagen musste der finnische Dirigent Pietari Inkinen, der mit dem Festspielorchester den “Ring” einstudiert hatte, wegen einer schweren Corona-Erkrankung zurücktreten. An seiner Stelle wird nun Cornelius Meister, Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart, den “Ring” dirigieren. In dieser Saison hatte er mit dem Festspielorchester eigentlich “Tristan und Isolde” einstudiert, das übernimmt nun Markus Poschner, Leiter des Bruckner-Orchesters in Linz.
“Das ist eine Notsituation, die man sich nicht ausgesucht hat”, sagte Meister der Deutschen Presseagentur. Den “Ring” habe er zum Glück schon öfter dirigiert und mit dem Team komme er zurecht. “Deswegen fühle ich mich in der ‘Ring’-Produktion bereits sehr wohl und heimisch.” 2023 wird Meister dann wieder “Tristan und Isolde” in Bayreuth übernehmen.
“Tristan und Isolde”, Liebe bis in den Tod
Regisseur Roland Schwarz und Sängerin Catherine Foster als “Isolde” bei den Proben
Im Liebesdrama soll der Ritter Tristan seinem Onkel die Königstochter Isolde als Braut bringen. Durch einen Zaubertrank verlieben sich die beiden, was nicht ungestraft bleibt und mit dem Tod endet. Katharina Wagner selbst hatte das Drama 2015 recht düster inszeniert. Musiktheaterregisseur Roland Schwab will es als “ultimatives Stück über die Liebe” anlegen, heißt es in der Vorankündigung.
Auch wenn Tristan und Isolde am Ende sterben, soll ein Hoffnungsschimmer bleiben. “Wir leben in einer so desillusionierenden Zeit, dass ich mir die Freiheit rausnehme und eine wirkliche Utopie der Liebe schaffen möchte. Ein Bekenntnis zur Schönheit”, sagte Schwab dem Bayerischen Rundfunk.
Der “Ring” als Netflix-Familiensaga
Hermann Nitsch inszenierte “Die Wallküre” 2021 im gewaltigen Farbenrausch
Wagners “Ring des Nibelungen” sollte eigentlich schon 2020 über die Bühne gehen, musste aber wegen Corona verschoben werden. Einen Vorgeschmack gab es im vergangenen Jahr bei einem multimedialen “Ring” an einem Tag, zu dem auch eine Inszenierung der “Walküre” des österreichischen Aktionskünstlers Hermann Nitsch gehörte. In einem abstrakt gehaltenen Bühnenbild ließ er Farben über weiße Wände gießen.
Den neuen vierteiligen “Ring des Nibelungen” vergleicht der junge, vielfach ausgezeichnete österreichische Regisseur Valentin Schwarz mit einer Netflix-Serie: Eine Abfolge von mehreren Teilen, die in kurzer Zeit hintereinander konsumiert werden.
Regisseur Valentin Schwarz sieht Wagners “Ring” als “große Familiensaga”
Deutsche Sagen bilden die Grundlage für Wagners “Ring des Nibelungen”. Er hat sein Werk als großes Gesellschaftsdrama angelegt, bei dem es um Macht, Geldgier, Missgunst und Intrigen in der Götterwelt und auf Erden geht. “Der Ring ist ein gewaltiges Familienepos in fast griechischem Format und ist deshalb wie gemacht für eine filmische Herangehensweise”, erklärt Schwarz im Trailer zur “Götterdämmerung”.
Bayreuth für alle
Festspiel-Atmosphäre gibt es in Bayreuth auch außerhalb des Theaters im Freien. Erstmals und kostenfrei wird es im Rahmen eines “Festspiel Open Airs” an zwei Abenden ein Überraschungsprogramm mit Musikern der Opernproduktionen geben, bei dem es nicht nur um Wagner geht.
Wer mehr über die Popularisierung von Richard Wagner wissen möchte, kann im Wagnermuseum ab dem23. Juli die Sonderausstellung “VolksWagner. Popularisierung – Aneignung – Kitsch” besuchen. Es geht um Wagner zwischen “Bierwerbung, Heavy Metal und Traualtar”, also die Popkultur und heutige Vermarktung von Wagner und seiner Musik.
Villa Wahnfried, das einstige Wohnhaus der Familie Wagner ist heute ein Museum
Für Wagner-Neulinge bietet das Museum neuerdings an den Aufführungstagen auch spezielle Führungen unter dem Motto “Festspiele für Einsteiger” an. “Ich hatte das Gefühl, dass immer mehr Menschen zum ersten Mal nach Bayreuth kommen, und nicht gleich für 30 oder 40 Jahre”, sagt Museumsleiter Sven Friedrich der DW. Richard Wagner und die Festspiele hätten für Neulinge oft etwas Erhabenes und Einschüchterndes. “Ich habe mir gedacht, den Leuten einfach etwas über die Festspielidee und den Ablauf eines Festivaltages zu erzählen.”
In der Vergangenheit wurde der Museumsleiter öfter mit praktischen Fragen konfrontiert, etwa zum Dresscode oder zur Länge der Pausen. Auch die Prominenz vor Ort hat Besucher interessiert. “Da wurde auch gefragt, ob denn ‘die Merkel’ kommt”. Diese Frage lässt sich auch in diesem Jahr mit “Ja” beantworten. Alt-Kanzlerin Angela Merkel hat bereits zugesagt, Bundeskanzler Olaf Scholz wird nicht zur Premiere von “Tristan und Isolde” erscheinen, dafür aber unter anderem Kulturstaatsministerin Claudia Roth.