Noch nie gab es so viele Regisseurinnen im Wettbewerb: Sieben von 21 Filmen wurden von Frauen realisiert, darunter sowohl Newcomerinnen als auch alteingesessene Autorenfilmerinnen. Doch zum Auftakt der 76. Filmfestspiele an der Côte d’Azur standen erst einmal Alt-Stars wie Harrison Ford, Johnny Depp und Michael Douglas im Fokus. Hier unsere wichtigsten Momente der ersten Festivaltage.
Regisseur James Mangold mit einem Teil der “Indiana Jones 5”-Besetzung, darunter Harrison Ford (2. v. l.)
Einer der größten Helden der Filmgeschichte: Mit “Indiana Jones und das Rad des Schicksals” feierte der fünfte Teil der legendären Filmreihe Premiere – außer Konkurrenz. Zudem waren alle Augen auf den Titelhelden mimenden Harrison Ford, 80 Jahre alt, gerichtet, als er von der Festivalpräsidentin Iris Knobloch und Festivalchef Thierry Frémaux die Goldene Palme überreicht bekam. Er versicherte allerdings, dass er die Rolle des abenteuerlustigen Archäologen mit Fedora-Hut und Peitsche diesmal wirklich zum letzten Mal gespielt habe. Der Grund sei ja “offensichtlich”, scherzte Harrison Ford. “Ich muss mich hinsetzen und mich ein wenig ausruhen.”
Auch im Film will Indiana Jones eigentlich in Rente, muss aber dann doch noch einem mysteriösen Artefakt hinterherjagen und gegen Nazis kämpfen. Diesmal mit dabei: Ein fieser Mads Mikkelsen als Widersacher – und Nachwuchsschauspieler Ethann Isidore. Der 16-Jährige spielt eine der Hauptrollen und erhielt bei den Dreharbeiten viel Unterstützung von seinem Idol: “Vergiss die Kameras”, soll Harrison Ford ihm geraten haben.
Mediales Comeback: Johnny Depp als König Ludwig XV. und Maïwenn als Maitresse im Film “Jeanne du Barry”
Duo Infernale: Diese beiden Schauspieler eröffneten die 76. Filmfestspiele mit dem französischen Historiendrama “Jeanne du Barry”, das sich um die Liebesbeziehung zwischen der titelgebenden Kurtisane und dem französischen König Louis XV., gespielt von Johnny Depp, dreht. Depp soll vom lang anhaltenden Applaus nach der Premiere zu Tränen gerührt gewesen sein, wie Beobachter verlauten ließen. “Jeanne du Barry” ist der erste Film mit Depp nach seinem Scheidungsprozess mit Amber Heard, der von der Medienwelt exerziert wurde. Heard hatte ihrem Exmann häusliche Gewalt vorgeworfen.
Johnny Depp rechnete bei der Cannes-Pressekonferenz mit Hollywood ab und kommentierte: “Das ist mein 17. Comeback.” Er könne auf Hollywood gut verzichten, sagte der 59-jährige Schauspieler. Ob er sich von Hollywood boykottiert gefühlt hätte, fragen ihn die Journalisten. Depp musste 2020 aufgrund des Prozesses mit seiner Exfrau aus dem “Harry Potter”-Spin-off “Phantastische Tierwesen 3” aussteigen. “Ich fühle mich nicht von Hollywood boykottiert, weil ich nicht an Hollywood denke. Ich selbst brauche Hollywood nicht mehr”, erklärte Depp. Das Blitzlichtgewitter und die Standing Ovations überblendeten indesdie inzwischen beigelegte Schlammschlacht. Ebenso wie die Vorwürfe gegen Maïwenn Le Besco. Maïwenn ist Depps Filmpartnerin und Regisseurin von “Jeanne du Barry”. Sie soll einen Journalisten vor Beginn der Festspiele tätlich angegriffen haben.
Mutter und Tochter: Eröffnung mit Catherine Deneuve und Chiara Mastroianni
Kein Cannes ohne Catherine: Auch Schauspiel-Ikone Catherine Deneuve beehrt wie schon seit Jahrzehnten das diesjährige französische Filmspektakel. Mit viel Würde hielt die Grand Dame die offizielle Eröffnungsrede und trug sichtlich bewegt ein ukrainisches Gedicht mit dem Titel “Hoffnung” vor. Die Ukraine selbst ist nicht in Cannes vertreten. Auch wenn dort trotz des Krieges weiter gedreht werde, so sei laut Festivalchef Thierry Frémaux kein ukrainischer Beitrag eingereicht worden. Durch den Abend moderierte Chiara Mastroianni, Tochter von Catherine Deneuve und der bereits verstorbenen italienischen Filmlegende Marcello Mastroianni.
Berühmter Umweltaktivist auf der Croisette: Raoni Metuktire, Häuptling der Kayapo
Häuptling aus dem Amazonas: Mit Raoni Metuktire erschien zu “Indiana Jones 5” ein seltener Premierengast auf dem roten Teppich. Der Häuptling kam in traditioneller Kleidung seines Kayapo-Volkes. Seit Jahrzehnten kämpft er für den Schutz des brasilianischen Regenwaldes und der dortigen indigenen Kulturen.
Von christlichen Werten und indigener Spiritualität – Aswan Reid und Cate Blachnett in “The New Boy”
Der “neue” Junge: Aswan Reid heißt “The New Boy”, der in diesem Film einen Aborigine-Jungen spielt. Das Waisenkind landet im australischen Outback in einem abgelegenen Kloster und trifft dort auf eine abtrünnige Nonne, gespielt von Cate Blanchett. Der Historienfilm von Regisseur Warwick Thornton, angesiedelt in den 1940er-Jahren, läuft in der Sektion “Un Certain Regard” (“Ein besonderer Blick”) und bringt Werke von noch unbekannten oder experimentellen Filmschaffenden auf die Leinwand. Thornton gewann bereits 2009 in Cannes die “Goldene Kamera” für sein Regiedebüt “Samson & Delilah”.
Der alte Junge: Sichtlich gerührt nahm Michael Douglas die Goldene Ehrenpalme für sein Lebenswerk entgegen – traditionell der erste Preis, der in Cannes vergeben wird. 78 Jahre alt ist der Schauspieler und Produzent und damit zwei Jahre älter als das französische Filmfestival. In einer langen Dankesrede schaute der zweifache Oscarpreisträger auf Jahrzehnte der Filmgeschichte zurück, die er selbst mitgeschrieben hat: als Schauspieler in “Der Rosenkrieg” (1989), “Basic Instinct” (1992) oder “Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll” (2013) und als Produzent in “Einer flog übers Kuckucksnest” (1978).
Geschlechterverhältnis im Wettbewerb: So viele Frauen wie nie zuvor, verkündete die Leitung stolz. Das ist faktisch richtig, mit sieben von 21 Beiträgen ist es aber immer noch nur ein Drittel. Insgesamt arbeitet sich das Festival in Sachen Geschlechterparität kontinuierlich vor, denn 2021 waren nur vier und 2022 fünf Regisseurinnen im Wettbewerb vertreten.
Mit Justine Triet ist dieses Jahr unter anderem eine bereits etablierte französische Regisseurin dabei, deren Film “Sibyl – Therapie zwecklos” 2019 im Wettbewerb lief. 2023 tritt sie mit dem Krimidrama “Anatomie d’une chute” ( “Anatomie eines Sturzes”) an. Die Hauptrolle spielt die deutsche Mimin Sandra Hüller (nicht im Bild), die damit ihren Einstand als internationale Darstellerin gibt. Die mehrfach ausgezeichnete Hüller spielt zudem in dem Wettbewerbsfilm “The Zone of Interest” eine weitere Hauptrolle.