Mehr als 700 Juwelen aus dem Nachlass der österreichischen Milliardärin Heidi Horten werden aktuell in Genf und online von dem Auktionshaus Christie’s versteigert. Es handelt sich um kostbare Broschen, Ringe, Perlenketten und Armreife, verziert mit Diamanten und Rubinen, gestaltet von Luxusjuwelieren wie Bulgari, Cartier, Tiffany, Harry Winston und Van Cleef & Arpels. Schätzwert: 136 Millionen Euro.
Heidi Horten war zeitlebens eine Sammlerin von schönen, teuren Dingen
Heidi Horten sei für ihre Eleganz, ihren Glamour und ihren guten Geschmack bekannt gewesen, lässt das Auktionshaus Christie’s wissen. Zweifelsfrei liebte sie den Luxus und widmete sich den schönen Künsten. Sie sammelte neben teurem Schmuck moderne und zeitgenössische Kunst, für die sie in Wien ein eigenes Museum errichten ließ: die Heidi Horten Collection. Kurz nach der Eröffnung 2022 starb die Millionenerbin, die durch ihren ersten Mann, den umtriebigen Unternehmer Helmut Horten, zu Geld gekommen war.
Helmut Horten profitierte von der NS-Zeit
Sein Name ist es, der einen dunklen Schatten auf die Auktion wirft. Denn Helmut Horten profitierte in der NS-Zeit von der so genannten “Arisierung”. Mit diesem Begriff wird der Vorgang der Enteignung des Besitzes von Jüdinnen und Juden bezeichnet. Sie wurden um ihre Unternehmen, ihre Geschäfte und ihr Eigentum gebracht, das dem Staat oder Menschen ohne jüdischen Hintergrund in die Hände fiel. Helmut Horten übernahm jüdische Kaufhäuser und häufte sich so ein stattliches Vermögen an.
Übernahme jüdischer Kaufhäuser
1936 übernahm er im Alter von 27 Jahren das Kaufhaus “Gebrüder Alsberg” in Duisburg. Es war 1893 von dem jüdischen Unternehmer Theodor Lauter gegründet worden. Am 10. Mai 1936 eröffnete das in “Horten” umbenannten Kaufhaus, das nun “in arischen Besitz übergegangen” sei, wie es stolz in einer Werbeanzeige formuliert wurde. Allen jüdischen Beschäftigten wurde gekündigt. In den Folgejahren erwarb Horten weitere Kaufhäuser aus jüdischem Besitz.
Deutschland 1938: “Deutsche wehrt euch! Kauft nicht bei Juden!” steht auf den Plakaten, mit denen SA-Männer durch Berlin marschieren
Ein von Heidi Horten in Auftrag gegebenes Gutachten aus dem Jahr 2021 über seine Geschäfte kommt zu dem Schluss, dass er “gezielt nach jüdischen Unternehmen gesucht” habe, aber “vergleichsweise fair” agiert habe. So seien keine Erpressungen überliefert. Die jüdische Nachfahrin Stéphanie Stephan, deren Vater Vorstandsmitglied des Modekonzerns “Gebrüder Gerzon” war, schätzt sein Vorgehen Medienberichten zufolge anders ein. Horten soll den jüdischen Eigentümern des Konzerns mit Gefängnis und dem KZ gedroht haben. Hinzu kommt, dass alle Jüdinnen und Juden Repressionen ausgesetzt waren und ehrlicherweise wenig Verhandlungsspielraum hatten. Sie haben sich nicht freiwillig von ihrem Eigentum getrennt – und diesen Umstand hat Horten ausgenutzt.
Fähnchen im Wind: Hauptsache der Profit stimmt
“Hortens Denken und Agieren war nicht von der NS-Ideologie bestimmt, sondern von einem ausgeprägten unternehmerischen Impetus, gepaart mit einer hohen geschäftlichen wie persönlichen Risikobereitschaft”, schreiben die Verfasser des Gutachtens, die Historiker Peter Hoeres und Maximilian Kutzner, wohlwollend. Er habe mit dem NS-Regime kooperiert, sofern es ihm persönlich genutzt hätte, und es unterlassen, wenn es seinen geschäftlichen Interessen hätte schaden können.
Er übernahm jüdische Geschäfte. Er beschäftigte Zwangsarbeiter in dem Rüstungsbetrieb Flugzeugwerke Johannisthal GmbH, weil er so den Gewinn steigern konnte. Von 1937 bis 1944 war er Mitglied der NSDAP – bis er ausgeschlossen wurde, weil er offenbar mit NS-Funktionären aneinandergeraten war. “Insgesamt zeigt sich in allen Fällen, dass das Geschäft vor der Politik kam”, stellen die Historiker fest.
Große Warenhäuser in ganz Deutschland machten Helmut Horten reich
Von Kriegsgefangenen zum Kaufhauskönig
Nach dem Krieg wurde Horten von den Alliierten verhaftet rund eineinhalb Jahre interniert. Anfang 1948 kam er frei. Ende 1948 eröffnete er in Duisburg ein neues Kaufhaus, das in nur 100 Tagen errichtet wurde. Nach und nach vergrößerte er sein Unternehmen und galt als Deutschlands “Kaufhauskönig”. Er leistete zum Teil Wiedergutmachungen gegenüber den jüdischen Familien, deren Kaufhäuser er in der NS-Zeit übernommen hatte, hüllte sich aber sonst in Schweigen, wenn es um seine Geschäftstätigkeit von 1933 bis 1945 ging.
Luxusleben nach dem Krieg
Rund zwanzig Jahre nach Kriegsende schwelgt Horten im Luxus. Er besitzt zahlreiche Immobilien, Rolls-Royce-Wagen, eine Luxusjacht. In dieser Zeit lernte der wohlhabende Geschäftsmann die 32 Jahre jüngere Heidi kennen. 1966 heiratete er die Österreicherin, die nach damaligem Recht noch nicht mal volljährig war. Als Horten 21 Jahre später starb, erbte sie ein Milliardenvermögen.
Lebten ein Leben im Luxus: Heidi Horten und Helmut Horten Ende der 1960er-Jahre
Heidi Horten selbst war vier Jahre alt, als der Zweite Weltkrieg endete. Sie kann nicht für die Verbrechen der Nationalsozialisten oder das Gebaren ihres Mannes während der NS-Zeit verantwortlich gemacht werden. Dennoch gründete sich ihr Vermögen aus der Zeit des Nationalsozialismus und der Unterdrückung und Verfolgung der gesamten jüdischen Bevölkerung. Und nun wird ihr Schmuck für viele Millionen versteigert.
Jüdische Verbände äußern Kritik an der Auktion
“Dieser Verkauf ist unanständig”, sagte Yonathan Arfi, Präsident der französisch-jüdischen Dachorganisation CRIF, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. “Die Mittel, die den Kauf dieses Schmucks ermöglichten, stammen nicht nur zum Teil aus der von Nazi-Deutschland durchgeführten Arisierung jüdischen Eigentums, sondern dieser Verkauf dient auch der Finanzierung einer Stiftung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Namen eines ehemaligen Nazis für die Nachwelt zu erhalten.”
Das American Jewish Committee teilte auf seiner Website mit, dass es nicht ausreiche, die Verkaufserlöse einer wohltätigen Stiftung zukommen zu lassen, oder, wie es Christie’s plane, eine nicht näher bezeichnete Spende für die Holocaust-Erziehung zu leisten. “Stattdessen sollte die Auktion auf Eis gelegt werden, bis ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, um festzustellen, welcher Teil dieses Vermögens von Nazi-Opfern stammt. Sobald dies feststeht, sollten stattdessen die bedürftigen und geschwächten Holocaust-Überlebenden, die noch unter uns sind, und die Bildungsprogramme unterstützt werden, die deren Geschichte erzählen.”
Der Zentralrat der Juden in Deutschland wollte sich auf Anfrage gegenüber der Deutschen Welle nicht zu dem Fall äußern.
Christie’s selbst hält nach “sorgfältiger Abwägung”, wie der internationale Leiter der Schmuckabteilung, Rahul Kadakia, zu Beginn der Auktion mitteilte, an der umstrittenen Auktion fest. Der gesamte Erlös aus dem Nachlass soll der Heidi Horten Stiftung zugutekommen. Christie’s hat angekündigt, einen nicht näher genannten Betrag aus dem Erlös an Organisationen spenden, die zum Holocaust forschen und Aufklärung leisten.