Gäbe es eine Meisterschaft in der Disziplin “Selbstliebe”, stünde Lizzo gewiss ganz oben auf dem Treppchen. Bei der Siegerehrung trüge sie vermutlich einen ihrer hautengen Glitzer-Bodys, mit dem sie nichts verstecken, sondern ihren Körper feiern will. Liebe dich selbst, liebe deinen Körper, du bist gut so, wie du bist: Dies ist die Botschaft der US-Sängerin. Mit ihren Selbstermächtigungshymnen ist sie momentan eine der interessantesten Persönlichkeiten der Pop-Welt.
Lizzo steht für eine Art des Empowerment, das – verpackt in eingängigen Beats und humorvollen Texten – offenbar gut ankommt. Auf TikTok gehen ihre Songs viral, abseits des Digitalen gewinnt Lizzo bedeutende Awards wie zuletzt ihren vierten Grammy. Im Moment tourt die Sängerin mit ihrem Mix aus Pop, Rap und R&B durch Europa. Vor kurzem war sie für drei Konzerte in Deutschland. Dort gab sie eine überraschende Techno-Performance von Rammsteins Song “Du hast”. Gesungen kann der Songtitel wie “du hasst” klingen – dabei sind Hassbotschaften eigentlich gar nicht Lizzos Ding. Nach einer kurzen Twerkin-Tanzeinlage stellt sie das auch klar und ruft auf Deutsch “Ich liebe dich!” ins Publikum.
View this post on Instagram
“I love you, don’t forget it, you beautiful Black masterpiece!”
Mit ihrem Appel für mehr Selbstliebe passt die schillernde Sängerin perfekt in eine Zeit, in der Schönheitsnormen hinterfragt werden und mehr Sichtbarkeit marginalisierter Gruppen gefordert wird. Die Fans feiern Lizzo für ihr Selbstbewusstsein als schwarze Frau. “Ich liebe dich, vergiss das nicht, du schönes schwarzes Meisterwerk!”, heißt es etwa in ihrem Song “Skin”.
In einem Interview mit der Zeitschrift Vanity Fair sagte Lizzo im November 2022: “Ich bin eine schwarze Frau, ich mache Musik aus meiner eigenen schwarzen Erfahrung. Wenn ich anderen Menschen damit helfen kann, dann ist das gut. Denn wir sind die am meisten marginalisierte und vernachlässigte Gruppe in diesem Land. Wir brauchen Selbstliebe und Selbstliebe-Hymnen mehr als alle anderen.”
Lizzo wurde im April 1988 als Melissa Viviane Jefferson geboren und wuchs in Detroit und Houston auf. Gegenüber Vanity Fair erzählte sie, dass sie als Teenager Angst hatte Auto zu fahren, weil sie oft von der Polizei kontrolliert wurde.
Politisch engagiert: vor den US-Präsidentschaftswahlen 2020 rief Lizzo dazu auf, wählen zu gehen
Was sie heute antreibt? “Ich möchte die Geschichte nicht in den Händen von Menschen lassen, die Unterdrückung und Rassismus aufrechterhalten. Meine Aufgabe als öffentliche Person, die eine Plattform hat, ist es, die Geschichte umzugestalten.”
“Everybody’s gay, yeah (It’s a happy place in here, baby, you’re safe)”
Lizzo ist auch eine Aktivistin für Frauenrechte und die LGBTQ-Community. Ihre Musik enthält viele Anspielungen auf die Queer-Kultur, etwa ihr Song “Everybody’s Gay”, der auf das queere Nachtleben anspielt. Lizzo bezeichnet ihre Fans als “Lizzbians”, was auf Englisch so ähnlich klingt wie “Lesbians” (dt. Lesben). Sie hat in der LGBTQ-Community viele Fans, die Songs wie “Good as Hell” feiern, in denen es darum geht, anders zu sein und diese Andersartigkeit zu akzeptieren. Die Künstlerin selbst erklärte 2018 gegenüber der Vogue: “Wenn es um Sexualität oder Gender geht, kann ich mich nicht auf eine Sache festlegen. Deshalb sind die Farben von LGBTQ+ ein Regenbogen: Es gibt ein Spektrum, aber gegenwärtig versuchen wir alles schwarz und weiß zu sehen. Das ist nichts für mich.”
“If you fight like a girl, cry like a girl / Do your thing, run the whole damn world”
Lizzo war neben Billie Eilish und Mariah Carey eine der prominentesten Stimmen, die die Entscheidung des obersten US-Gerichts kritisierten, das Abtreibungsrecht in den USA zu kippen. Lizzo kündigte an, eine halbe Million Dollar von den Einnahmen ihrer Tour an die Organisation Planned Parenthood zu spenden, die im ganzen Land medizinische Dienste anbietet.
Auf ihrer Tour zeigte sie sich mehrmals mit dem Schriftzug “My Body, My Choice”, einem Ausdruck der weiblichen Selbstbestimmung und Leitspruch der Frauenbewegung.
“No, I’m not a snack at all / Look, baby, I’m the whole damn meal”
Wird über Lizzo geschrieben, geht es immer auch um ihre Figur. Man könnte die Frage stellen, weshalb es überhaupt nötig ist, das äußere Erscheinungsbild zu thematisieren – beschränkt es die Künstlerin am Ende nicht doch nur auf ihren Körper?
Aber es war Lizzo selbst, die sich zum Sprachrohr einer Bewegung machte, die eine positive Einstellung zum eigenen Körper propagiert. Sie selbst bezeichnet sich als einen fetten Menschen und möchte nach eigenen Angaben erreichen, dass dicke Körper normalisiert und entstigmatisiert werden. In ihrer Kindheit wurde die Sängerin wegen ihrer Figur gemobbt, Trost fand sie in der Musik. Heute setzt sich Lizzo gegen Bodyshaming ein, für viele ist sie eine Ikone der Body-Positivity-Bewegung.
Diese Botschaft stößt aber auch auf Kritik. Ein häufiger Vorwurf lautet, die Body-Positivity-Bewegung fördere einen ungesunden Lebensstil. Fettleibigkeit sei die Ursache für viele gesundheitliche Probleme und solle deswegen nicht propagiert werden, so die Kritik.
Lizzo selbst hat sich mittlerweile von dem Begriff distanziert, aber aus einem anderen Grund. In einem Interview mit der Vogue kritisierte sie, dass sich die Body-Positivity-Bewegung in den vergangenen Jahren verändert habe und “kommerzialisiert” worden sei. Genutzt werde der Hashtag mittlerweile vorwiegend von schlanken, weißen Frauen. Damit würden diejenigen, für die die Bewegung eigentlich gedacht war, nicht mehr davon profitieren, so Lizzo.
Lizzo studierte in Texas klassische Flöte – diese kommt auch bei ihren Auftritten zum Einsatz
“Thick thighs save lives, call me little buttercup”
Ein Gegenprogramm dazu startete Lizzo mit eigenen Projekten wie ihrer Castingshow “Lizzo’s Watch Out for the Big Grrrls”. In der Serie, die 2022 einen Emmy gewann, sucht sie nach kurvigen Background-Tänzerinnen. Lizzos Auftritte sind bekannt dafür, dass sie schwarze, trans oder kurvige Tänzer neben sich auf die Bühne stellt.
Ein weiteres Projekt ist Lizzos Shapewear-Kollektion mit dem Titel “Yitty”, die Übergrößen bis 6XL anbietet. Anders, als es die Bezeichnung Shapewear vermuten ließe, sollen die Kundinnen nicht in ein fragwürdiges Schönheitsideal gezwängt werden. “Ich war es leid, diese traurige, einschränkende Shapewear zu sehen, die buchstäblich niemand tragen wollte”, schrieb Lizzo in einer Pressemitteilung. “Ich beschloss, mich der Herausforderung zu stellen, es Frauen zu ermöglichen, sich wieder kompromisslos gut zu fühlen.”
Kritische Stimmen könnten darin genau die Kommerzialisierung Body-Positivity sehen, die Lizzo eigentlich anprangert. Für die Sängerin aber, so sagt sie, ist die Kollektion ein weiterer wichtiger Schritt im Bestreben, alle Körperformen zu zelebrieren.