Dem Krieg zum Trotz findet vom 6. bis 9. Oktober in der westukrainischen Stadt Lwiw das “Lviv Book Forum” statt. Es ist die 29. Ausgabe des größten Literaturfestivals der Ukraine. Das Besondere: Als Zeichen der internationalen Solidarität werden die Veranstaltungen in diesem Jahr in Kooperation mit dem britischen “Hay Festival” im Internet für ein globales Publikum auf Englisch gezeigt. Das Literaturfestival in dem kleinen walisischen Städtchen Hay-on-Wye fand 1988 erstmals statt und gehört mittlerweile zu den renommiertesten Veranstaltungen der englischsprachigen Welt.

Deshalb finden sich viele berühmte Autorinnen und Autoren beim “Lviv Book Forum” ein, entweder digital oder persönlich vor Ort: Die kanadische Friedenspreisträgerin Margaret Atwood spricht mit dem ukrainische Literaturkritiker und Übersetzer Jurij Prochasko. Ihr britischer Kollege Neil Gaiman unterhält sich mit Sevgil Mussajewa, Chefredakteurin der Online-Zeitung “Ukrayinska Pravda”, und dem israelischen Historiker Yuval Noah Harari, bekannt vor allen Dingen für seine “Kurze Geschichte der Menschheit”, die bei Erscheinen vom ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama gepriesen wurde. Der Literaturnobelpreisträger Abdulrazak Gurnah, geboren in Tansania, teilt sich ein Podium mit dem ukrainischen Autoren Alim Aliev und spricht mit ihm über Dekolonialisierung.

Yurij Prochasko sitzt vor einem Fenster

Der ukrainische Literaturkritiker Jurij Prochasko wird mit Margret Atwood reden

Festival im Zeiches des Krieges

Das Renommee der Gäste ist man beim “Lviv Book Forum” bereits gewohnt: Seit 2001 heißt das jährlich stattfindende Festival internationale Autorinnen und Autoren willkommen. Schon Sängerin Patti Smith, Weltbestsellerautor Paulo Coelhound Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk waren hier zu Gast.

Ursprünglich sollte die diesjährige Ausgabe des Festivals unter dem Motto “Future Reimagined” (deutsch: “Die Zukunft neu denken”) stattfinden. Nach Kriegsausbruch dreht es sich bei den Veranstaltungen in diesem Jahr aber vor allen Dingen um eines: die Rolle der Kunst in Zeiten des Krieges, um das richtige Erinnern an die Vergangenheit, um Verlust, Imperialismus und Hoffnung.

Liuba Tsybulska vor einem blauen Hintergrund

Liuba Tsybulska, Gruppenleiterin beim Ukraine Crisis Media Center, spricht beim Festival mit internationalen Kollegen über russische Kriegspropaganda

Den Menschen in der Ukraine eine Stimme geben

“Im Krieg eine Stimme zu haben, ist äußerst wichtig”, so Julie Finch, Geschäftsführerin des “Hay Festivals”, im Videointerview mit der DW. Sie zeigt sich beeindruckt von ihren Kolleginnen und Kollegen beim “Lviv Book Forum”. “Ich denke, es ist entscheidend anzuerkennen, wie wichtig Kunst und Kultur für die ukrainische Identität sind”, erklärt sie. “Sie gehören zur DNA des Landes. Die Möglichkeit, sich auszudrücken und gehört zu werden, ist den Menschen in der Ukraine äußerst wichtig.”

Die Kooperation bezeichnet sie als Zeichen internationaler Solidarität für die Meinungsfreiheit und Ausdrucksmöglichkeiten der Menschen in der Ukraine. Dass das Festival in diesem Jahr überhaupt stattfinde, sei ein “Akt des Widerstands” gegen den Krieg, so Finch. “Durch die Literatur und das geschriebene Wort möchten wir den Menschen Hoffnung geben.”

Yaroslav Hrytsak vor einer Glaswand

Yaroslav Hrytsak leitet das Institut für Geschichtswissenschaft an der Universität in Lviv

Die Kuratorin des diesjährigen “Lviv Book Forum”, die Übersetzerin Sofia Tscheljak, brachte in einer Pressemitteilung den Wunsch zum Ausdruck, “unsere Geschichte der Welt zu erzählen”. Auch sie betont, die Kooperation sei ein Zeichen der internationalen Solidarität, aber auch eine Botschaft an ihre Landsleute: “Wir möchten unserem ukrainischen Publikum zeigen, dass Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt auf unserer Seite stehen.”

Das Lviv Book Forum findet vom Donnerstag, den 6. bis Sonntag, den 9. Oktober im ukrainischen Lviv statt. Alle Veranstaltungen werden durch das Hay Festival unter www.hayfestival.com auf Englisch im Internet übertragen.