Die Spandauer Zitadelle in Berlin, eine alte Renaissancefestung, die heute ein Museum beherbergt, zeigt in ihrer Ausstellung über stillgelegte Denkmäler in Berlin auch zwei monumentale Nazi-Kunstwerke. Es sind zwei Skulpturen des Bildhauers Josef Thorak. Der hatte die “Schreitenden Pferde” auf Wunsch Adolf Hitlers für dessen Neue Reichskanzlei in Berlin angefertigt.

Beide Skulpturen müssen restauriert werden. Eine von ihnen ist schon seit Oktober 2022 in der ständigen Ausstellung zu sehen, wo Besucherinnen und Besucher den Prozess der Restaurierung beobachten können.

Auf dem Höhepunkt seiner Macht im Dritten Reich hatte Hitler das monumentale Kunstwerk im Garten der Reichskanzlei aufstellen lassen – von 1939 bis 1944 verblieb es dort. Die “Schreitenden Pferde” zählten zu den tausenden Bronzewerken, die für das Naziregime hergestellt wurden. Sie sollten später die “imperiale” Hauptstadt “Germania” schmücken – Pläne für die neue Stadt lagen schon bereit.

Wer war Josef Thorak?

Josef Thorak wurde am 7. Februar 1889 in Wien geboren. Er besuchte die Wiener Kunstakademie, bevor er 1915 nach Berlin ging, um dort sein Kunststudium abzuschließen. Nach seinem Studium etablierte er sich als Bildhauer mit dem Spezialgebiet monumentale Figuren und Denkmäler – wie etwa die vier Meter hohe Figur der “Hertha”, die den Giebel der ehemaligen Reichsbank in Gelsenkirchen-Buer ziert.

Sein Stil sicherte ihm zahlreiche Aufträge seitens der deutschen Regierung – einen internationalen Namen machte er sich, als er 1934 zusammen mit weiteren Künstlern am Security Monument im türkischen Ankara arbeitete. 

Josef Thorak modelliert ein Bildnis von Josef Goebbels

Josef Thorak modelliert ein Bildnis von Josef Goebbels

Von 1937 an wurde Thorak der Haus- und Hof-Bildhauer der Nationalsozialisten und wurde beauftragt, Unmengen an Propagandakunst anzufertigen – um mit diesen Skulpturen die (vermeintliche) Herrlichkeit und Stärke des Naziregimes zu verdeutlichen.

Während die Nazis jüdische und moderne Kunst als “entartet” bezeichneten, die Künstler verfolgten, jüdische Kunstsammlungen plünderten und jüdische Händler zwangen, ihre Sammlungen für Spottpreise zu verscherbeln, florierten die Geschäfte von Künstlern wie Thorak. Dieser ließ sich schließlich auch von seiner jüdischen Frau scheiden und bekam einen prestigeträchtigen Posten an der Münchener Akademie der Bildenden Künste. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs machte er unbehelligt weiter – bis zu seinem Tod 1952.

Warum soll man Nazikunst ausstellen?

Seine “Schreitenden Pferde” waren lange verschollen. Wiederentdeckt wurden sie 2015 – nach einer Serie spektakulärer Razzien gegen einen dubiosen Kunsthändlerring, der in Deutschland im Verborgenen agierte. Die Polizei stellte Thoraks Pferde sicher, ebenso wie Skulpturen von Fritz Klimsch und Arno Breker, die auch zu Hitlers Lieblingskünstlern zählten.

Die Arbeiten sollten auf dem Schwarzmarkt verkauft werden – denn Nazikunst ist auf dem offiziellen Kunstmarkt tabu. Warum wird diese Kunst dennoch in der Zitadelle ausgestellt? Das Anliegen des Museums ist es, deutlich zu machen, wie sehr verschiedene Staatsmächte – vom Deutschen Kaiserreich bis zur DDR – mit ihren Denkmälern zwischen 1849 und 1986 versuchten, das Berliner Stadtbild zu prägen. 

“Aufgrund der politischen Umbrüche im 20. Jahrhundert wurden immer wieder Denkmäler aus dem öffentlichen Raum entfernt, die für das neue System eine problematische oder sogar bedrohliche Erinnerung beziehungsweise Würdigung darstellten”, heißt es dazu auf der Webseite der Zitadelle. “Das Museum bietet eine Möglichkeit, sich mit den großen Symbolen des Deutschen Kaiserreichs, der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und der DDR auseinanderzusetzen, die vergraben und vergessen werden sollten – und jetzt als Zeugnisse der deutschen Geschichte eine neue Funktion erfüllen.”

Beim Stichwort “Große Symbole” mögen sich bei einigen die Augenbrauen heben – das Museum betont jedoch, dass es sich zu einem Zentrum für die Erforschung “toxischer” Denkmäler – die ja auch Zeugnisse deutscher Geschichte seien – entwickeln möchte. Auch die Bundesregierung hat den Erwerb der “Schreitenden Pferde” unterstützt.

Naziskulpturen an öffentlichen Plätzen

Vor nicht allzu langer Zeit hat eine andere Ausstellung von Nazi-Kunst zu wütenden Protesten geführt. Im vergangenen Jahr wurde die Münchner Pinakothek in einem empörten Offenen Brief dafür beschimpft, dass sie ein Gemälde des Nazi-Künstlers Adolf Ziegler gezeigt hat. 

Georg Baselitz, einer der einflussreichsten zeitgenössischen Künstler, verlangte, dass das Bild entfernt werde. “Es schockiert, dass Nazipropaganda auf diese schmuddelige Art in einem Münchner Museum möglich ist”, so Baselitz. Außerdem sei es ein “schlechtes” Bild. Er empfand es als Beleidigung, dass Zieglers Werk in einem Raum hängt mit den Künstlern, die dieser verfolgte. “Ziegler hat Kunst und Künstler vernichtet. Er gehört nicht in den Saal seiner Opfer”, schrieb Baselitz laut der “Süddeutschen Zeitung”.

Viele NS-Propagandaskulpturen sind immer noch im öffentlichen Raum zu sehen, wie etwa im Berliner Olympiastadion, das vom NS-Regime für die Olympischen Spiele 1936 in Auftrag gegeben wurde. Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2006, bei der das Olympiastadion einer der Austragungsorte war, forderten einige Aktivisten die Entfernung der Statuen. Die Stadt lehnte dies jedoch mit der Begründung ab, dass eine Entfernung eine Verleugnung der deutschen Geschichte darstellen würde.

Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch.