Vereinzelt wehen dürre Palmen im Meereswind, steinerne Ruinen ragen aus dem Sand. Die letzten Überreste eines Dorfes, das vom Meer belagert wird: Das Küstendorf Fuveme in der ghanaischen Volta-Region könnte bald verschwinden – für immer. Der kleine Ort in der Lagune von Keta ist bereits zur Insel geschrumpft und hat viele Familien gezwungen, ins Landesinnere zu ziehen.
Knowledge Dewornu ist zurück in seinem Heimatdorf. Er steht fassungslos vor seinem ehemaligen Haus, das Dach von Meeresfluten weggerissen: Im November letzten Jahres schlugen riesige Wellen aus dem Golf von Guinea auf die dünne Sandbank, auf der die letzten Bewohner des Dorfes lebten. Auch Dewornu musste fliehen. “Diese Katastrophe ereignet sich an allen Orten entlang der Küste, aber am schwierigsten ist es hier in Fuveme, weil wir auch noch an den Volta-Fluss grenzen. Wir müssen uns besser schützen, sonst werden wir sterben”, sagt er im DW-Interview.
Flutwellen fegten durch die Stadt
Viele dieser kleinen Fischerdörfer an der ghanaischen Küste liegen unterhalb des Meeresspiegels. Joel Deque ist Umweltschützer. Er glaubt, der Klimawandel habe wesentlich zum Anstieg des Wassers entlang der Küste beigetragen. “Der Raum zwischen der Lagune und dem Meer wird immer enger, bei den letzten Flutwellen drang das Meer in die Lagune ein, die Wellen fegten durch die Stadt. Das ist ein Zeichen dafür, dass das Meer in ein paar Jahren diese Orte übernehmen könnte. Wir stehen vor einer großen Gefahr”, sagt er im DW-Interview.
Umweltschützer Joel Deque am Strand in Fuveme: Ein Fischerdorf, das in Sturmfluten versinkt
Kwasi Appeaning Addo, Experte für Klimawandel an der Universität von Ghana in der Hauptstadt Accra, erforscht die Veränderung der Küsten: “Die Intensität von Sturmfluten hat in letzter Zeit zugenommen, was auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Es gibt höhere Wellen, der Meeresspiegel steigt – das sind natürliche Faktoren, die durch den Klimawandel angetrieben werden und die Erosion verstärken”, sagt Addo zur DW.
Bekämpfung der Erosion
Nicht nur die Natur, auch der Mensch trägt zur Erosion bei: Sandgewinnung an den Stränden sei zwar unzulässig – das Verbot werde aber nicht durchgesetzt, sagt Addo. Ein weiteres Problem: Die Zerstörung der Küstenvegetation, die für die Bekämpfung der Erosion unerlässlich sei.
Wie schafft Ghanas Regierung Abhilfe? Durch einen sehr technischen Ansatz, sagt Addo. “Sie versuchen, die Erosion durch harte Strukturen wie Wellenbrecher und Dämme zu bekämpfen”, sagt er. Das sei aber nicht nachhaltig. “Wir müssen überdenken, wie wir mit der Erosion umgehen lernen, anstatt sie zu bekämpfen.”
In Senegal wartet ein Fischer auf den Rückgang der Flut, um den provisorischen Schutz vor seiner Hütte zu verstärken
In Westafrika frisst sich das Meer besonders schnell ins Landesinnere hinein: “56 Prozent der Küstenlinie in Benin, Elfenbeinküste, Senegal und Togo sind einer durchschnittlichen Erosion von zwei Metern pro Jahr ausgesetzt, das hat enorme Auswirkungen”, sagt Maria Sarraf, Projektmanagerin für Umwelt und natürliche Ressourcen in Afrika. Es müsse mehr getan werden, betont Sarraf im DW-Interview.
Vor Überschwemmungen warnen
Um die bedrohten Küstenregionen Westafrikas zumindest ein wenig zu schützen, hat die Weltbank ein 220-Millionen-Dollar-Projekt aufgelegt, von dem derzeit sechs Länder der Region profitieren. Mit dem Geld werden unter anderem Dämme und Küstenbefestigungen errichtet, Feuchtgebiete wiederhergestellt, Strände aufgefüllt.
Doch der Investitionsbedarf wäre viel größer: Erosionen, Überschwemmungen und Verschmutzung richten laut Schätzungen der Weltbank allein in Benin, Elfenbeinküste, Senegal und Togo Schäden in Höhe von jährlich 3,8 Milliarden Dollar an. Regierungen müssten laut Sarraf mehr Warnungen herausgeben, wenn eine Überschwemmung bevorsteht, damit die Bewohner das Gebiet rechtzeitig verlassen könnten.
Nicht nur Westafrika, auch andere Regionen wie das Nildelta in Ägypten, Küsten in Kenia und Ostafrika, auch südafrikanische Küstenorte wie Kapstadt sind den Gefahren steigender Meeresspiegel und dadurch stärkerer Fluten ausgesetzt. Laut Weltklimarat stiegen die Meerespegel rund um Afrika in den vergangenen dreißig Jahren schneller als im globalen Durchschnitt.
Der ansteigende Meeresspiegel im kurzen Küstenstreifen der DR Kongo bedroht den Strand, an dem Schildkröten ihre Eier ablegen
Callum Munday, Klimawissenschaftler an der Universität von Oxford, erklärt die Hintergründe: “Die Meeresspiegel stehen jetzt so hoch wie nie zuvor. Dies wird durch die Erwärmung des Planeten und das Abschmelzen von mehr Landeis verursacht. Wenn sich das Wasser erwärmt, dehnt es sich auch aus, was zu dem hohen Meeresspiegel beiträgt”, sagt der Experte zur DW. “Vom wissenschaftlichen Stand her stehen wir aber erst am Anfang, die Klimagefahren genau zu verstehen.”
Mehr Verantwortung des Westens
Afrika gehe seit Jahrhunderten mit Dürren und Regenfällen um, aber durch die Erderwärmung gebe es jetzt Fluktuationen. Wie genau die zu berechnen sind, sei noch unklar. “Wir müssen mehr über diese Wettersysteme erfahren, damit wir für die Zukunft konkretere Schritte einleiten können”, betont Munday. Dazu gehörten auch mehr Verantwortung des Westens und Investitionen in die Anpassung an den Klimawandel. Unter anderem sollen Gelder über einen Klima-Reparationsfonds in den Globalen Süden fließen – dieser ist im Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 verankert, konnte auf den jährlichen Weltklimagipfeln seitdem kaum konkretisiert werden.
Afrika trage zwar mit knapp vier Prozent relativ wenig zu den weltweiten Emissionen bei, aber die Bevölkerung sei stärker benachteiligt und wirtschaftlich verwundbarer, sagt er Forscher und fügt an: “Bis 2050 sollen die Meere um einen halben Meter ansteigen. Das klingt so, als hätte man noch Zeit, aber das ist ein Trugschluss.”
Mitarbeit: Isaac Kaledzi (Ghana)